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Mit der Wahrheit
nicht taktieren

Bernd Kollmetz ist evangelischer Pfarrer der Johanniter Ordenshäuser in Bad Oeynhausen.
Der Auftritt des Bundespräsidenten beim Evangelischen Kirchentag in Hannover wirkte nicht nur erfrischend, sondern zutiefst glaubwürdig. In aller Klarheit hat er den Besuchern über seine geistig-geistliche Mitte Auskunft gegeben. Und gerade deshalb wirken seine Worte überzeugend, da er bereit ist, aus der Kraft des Glaubens heraus die Wahrheit auszusprechen. Und es ist ja bekannt, dass die Wahrheit nicht immer angenehm ist. Entweder wirkt sie wie ein kalter Waschlappen, der einem um die Ohren gehauen wird, oder man bedient sich ihrer so.

Aber letztlich kann nicht geleugnet werden, dass jeder Augenblick unseres Lebens sich vor die Frage der Wahrheit gestellt sieht. Vor diesem Hintergrund ist es überhaupt sinnvoll, über Werte und Verantwortung nachzudenken. Denn Werte orientieren sich an der Wahrheit, der man vertraut. Oder wie es Carl-Friedrich von Weizsäcker formuliert hat: »Es kommt immer wieder unweigerlich der Augenblick, in dem man beim Planen und auch beim Scheitern nach der Wahrheit fragen wird, wie sie durch den Glauben bewahrt wird.«

Vertrauen und Wahrheit gehören somit eng zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Und im Zusammenspiel wirken sie befreiend und öffnen Lebensperspektiven. Aber mit dem Horizont der Freiheit und mit den damit verbundenen Herausforderungen scheinen wir ja auch so unsere Probleme zu haben. Und so spielt sich das Thema des Kirchentages ein: "»Wenn dein Kind dich morgen fragt«. Es wird letztlich die Frage nach dem Leben stellen. Und nach dem, was dieses Leben trägt. Der Glaube macht Mut, sich zum Leben in Wahrheit, Vertrauen und Freiheit zu bekennen. Gott selbst ist der Weg der Wahrheit, des Vertrauens und der Freiheit - in Jesus Christus. Diese Antwort sind wir Christen der Welt schuldig.

Übrigens: Gelebte Verantwortung zeigt sich darin, dass mit der Wahrheit und dem Vertrauen nicht taktierend umgegangen wird. Dann gewinnen selbst Fehler, die zum Menschsein dazugehören, ihre eigene, besonderer Qualität. Bernd Kollmetz

Artikel vom 09.06.2005