10.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

50 Mark Lohn für eine
harte 58-Stunden-Woche

Treffen ehemaliger Diakonieschwestern im Krankenhaus Mitte

Bielefeld (dah). »Tragenfahrstunde«, Nachtdienste und das Kittelwechseln an der Infektionsabteilung - zahlreiche gemeinsam erlebte Geschichten und Anekdötchen wurden für die ehemaligen Diakonie-Schwestern bei ihrem Besuch im Städtischen Krankenhaus Bielefeld-Mitte wieder lebendig. Vor mehr als 45 Jahren hatten sie hier gemeinsam ihre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und 1962 mit dem Examen abgeschlossen.

Damals - bis 1969 - wurde das Krankenhaus pflegerisch komplett von den Schwestern des Evangelischen Diakonievereins Zehlendorf betreut. Der Diakonieverein übernahm auch die Ausbildung der Schwesternschülerinnen - für diese eine harte und entbehrungsreiche Zeit. 58-Stunden-Wochen waren normal, und der Lohn von 50 Mark war trotz der Unterkunft im Schwesternwohnheim sehr knapp bemessen. Inge Aichele kann sich noch gut daran erinnern: »Wenn ich nach Hause zu meinen Eltern fahren wollte, hat die Bahnkarte genau 50 Mark gekostet. Einen ganzen Monatslohn.« Auch war es damals selbstverständlich, dass die jungen Frauen ganz normal mitarbeiteten - eine fast ausschließlich theoretische Ausbildung, wie sie heute üblich ist, kannte man nicht.
Dabei wurden die Schwesternschülerinnen gerade zu Beginn ihrer Ausbildung nicht selten ins kalte Wasser geworfen, was teilweise zu recht amüsanten Situationen führte. So erhielt einmal eine ganz neue Schwesternschülerin den Auftrag, eine Patientin zu baden. Da sie dies jedoch noch nie gemacht hatte und sich genierte, die Patientin auszuziehen, setzte sie die Dame kurzerhand mit Hemd in die Badewanne.
Am schlimmsten aber waren nach einhelliger Meinung die Nachtwachen. Insgesamt 24 Wochen - normalerweise sechs Wochen am Stück - hatte jede Schwesternschülerin während ihrer Ausbildung abzuleisten. Dabei musste sie jede Nacht dreimal nach jedem Patienten sehen, also von Bett zu Bett gehen. Bei etwa 60 zu betreuenden Patienten war man da fast die ganze Nacht unterwegs.
Für das Wiedersehen hatten sich Verwaltungsdirektor Klaus Janssen und Pflegedirektorin Gerda Merten neben einem Rundgang durch das Krankenhaus und einem kleinen Vortrag über dessen Werdegang noch eine besondere Überraschung einfallen lassen: Sozusagen als Ehrengast erwartete Marlies Schmidt »ihre Mädchen«. Die rüstige Dame war bereits zur Zeit der Ausbildung der Besucherinnen als Krankenschwester im heutigen Städtischen Krankenhaus Bielefeld-Mitte tätig und den meisten auch noch bestens in Erinnerung.
Schwester Marlies ist übrigens immer noch - obwohl schon lange pensioniert - an den Betten der Patienten anzutreffen, hört ihren Sorgen zu und kümmert sich um die speziellen Anliegen, für die das »normale« Pflegepersonal keine Zeit hat.
Die Teilnehmerinnen des Treffens: Ursula Lebelt, Heidrun Heinz, Hildegard Beune, Helke Maier, Inge Schlunk, Inge Aichele, Barbara Mithner, Gisela Salm, Melitta Meier, Christa Czianera, Renate Kunerth, Heidemarie Kleinebekel und Christa Weber.

Artikel vom 10.06.2005