07.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Interessiert an
den Brüchen

Massaquoi-Buch wird verfilmt

Von Aliki Nassoufis
Wittenberge (dpa). Auf Hamburg fallen Bomben, in Panik flüchten die Menschen Ende des Zweiten Weltkriegs in die schützenden Bunker. Doch dem dunkelhäutigen, kleinen Hans Jürgen Massaquoi wird der Zutritt verweigert.

Erlebnisse wie diese beschrieb Massaquoi in seiner Autobiografie »Neger, Neger, Schornsteinfeger«, die 1999 erschien und sich bisher mehr als 350000 Mal verkaufte. Sie wird jetzt vom ZDF mit Veronica Ferres als Massaquois Mutter verfilmt. Die fünf Millionen Euro teure Produktion soll nach Senderangaben im Herbst 2006 ausgestrahlt werden.
»Ich freue mich sehr, dass sich die Deutschen jetzt auch im Film mit diesem Thema befassen«, sagte der in New Orleans lebende Massaquoi beim Besuch des Filmsets im brandenburgischen Wittenberge in klarem norddeutschen Dialekt. Er wurde 1926 als Kind eines Liberianers und einer Deutschen in Hamburg geboren.
Während der Naziherrschaft wurde Massaquoi bedroht und mit dem Spruch »Neger, Neger, Schornsteinfeger« gehänselt. Dennoch erlebte er in diesen Jahren auch Freundschaft und Loyalität. Vor allem seine allein erziehende Mutter Bertha Baetz beschützte ihn vor Übergriffen der Nazis. Diese Rolle spielt Veronica Ferres.
»Mich interessiert hier aber nicht die starke Frau«, sagt Ferres. »Mich faszinieren die Brüche innerhalb des Charakters.« Ursprünglich habe sie die Rechte an der Autobiografie selber haben wollen, doch Produzent Markus Trebitsch sei ihr zuvorgekommen. »Ich bin froh, doch noch an dem Projekt mitwirken zu können«, unterstreicht die Schauspielerin. »Das Einzigartige an der Geschichte ist, dass sie ohne didaktischen Zeigefinger erzählt wird.«
Für das ZDF ist Massaquois Lebensgeschichte ein »aktueller Stoff«. Der zweiteilige Fernsehfilm nach einem Drehbuch der Adolf-Grimme-Preisträgerin Beate Langmaack soll einer der Glanzlichter des kommenden Jahres werden. Wie aktuell Massaquois Erlebnisse tatsächlich auch heute noch sind, erfuhr das gesamte Team am Set: Der zehnjährige Massaquoi-Darsteller, Steve-Marvin Dwumah, wurde während der Dreharbeiten in Wittenberge von Jugendlichen der Stadt als »Nigger« beschimpft, erzählt Regisseur Jörg Grünler. Dennoch betrachtet Produzent Trebitsch den Drehort Wittenberge als »Glücksgriff«. Immerhin mussten hier nicht aufwendige Kulissen nachgebaut werden, denn ganze Straßenzüge erinnern an Deutschland während des Zweiten Weltkriegs.

Artikel vom 07.06.2005