07.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schüsse auf Polizisten:
Rentner tötet sich selbst

SEK belagert sieben Stunden lang Wohnung des 64-Jährigen

Von Gerhard Hülsegge, Uwe Koch, Hendrik Uffmann (Text), Carsten Borgmeier und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Weil er seine Signalwaffen nicht abgeben, keine 3600 Euro Strafe zahlen und auch nicht ersatzweise 120 Tage ins Gefängnis wollte, hat der Ex-Segellehrer Hans-Werner St. (64) gestern auf drei Polizeibeamte geschossen. Der Täter verschanzte sich bis zum Abend in der Wohnung seiner Ehefrau an der Meinolfstraße 6. Um 19.30 Uhr stürmte die Polizei die Wohnung. Sie fand den Rentner im Zimmer am Boden liegend. Offenbar hatte er sich mit einem Schuss in den Kopf selbst schwer verletzt, er starb wenig später.

Mehr als sieben Stunden hatte sich die Polizei vergebens bemüht, den »notorischen Widerständler« zur Aufgabe zu bewegen. Alle Versuche, Kontakt zu dem Mann aufzunehmen - auch per Megaphon - scheiterten. Er sprach nur mit seiner Rechtsanwältin. Spezialeinsatzkräfte (SEK) der Polizei gingen in Stellung. Die Wohnung gehört zu einer Wohnanlage der »Freien Scholle« und wurde von der Ehefrau des Rentners, die sich seit längerem im Krankenhaus befindet, bewohnt.
Gegen 12.05 Uhr schellte der Bezirksbeamte Gerald Hoffmann (38) in Begleitung von zwei Beamten einer Streifenwagenbesatzung in der 2. Etage, um den Haftbefehl gegen Hans-Werner St. zu vollstrecken. Der schoss sofort mehrfach. Die Projektile durchschlugen die geschlossene Wohnungstür, blieben in der Wand des Hausflurs stecken. Die Polizisten traten zunächst den Rückzug an und warteten auf Verstärkung. Der Tatort wurde weiträumig abgesperrt, das Haus evakuiert.
Mehrere Versuche von anderen Personen, die als Vermittler den Rentner zur Aufgabe bewegen wollten, schlugen fehl. Als sich gegen 19.30 Uhr die Situation zuspitzte, entschloss sich die Polizei, die Wohnung zu stürmen. Mit einem lauten Knall sprengte sie die Wohnungstür auf, dann griffen die Beamten zu. In einem hinteren Zimmer der Wohnung entdeckten die Elite-Polizisten des SEK den Täter mit einer schweren Kopfverletzung am Boden liegend - neben ihm einen Pistole. Offensichtlich hatte er sich selbst in den Kopf geschossen. Die Polizisten, die alle unverletzt blieben, feuerten keinen Schuss ab. Außer dem 64-Jährigen hatte sich niemand in der Wohnung aufgehalten.
Der Mann wurde von einem Notarzt, der zum Einsatz-Team des SEK gehörte, sofort versorgt. Nach wenigen Minuten wurde ein zweiter Notarzt hinzugezogen. Auch der Rettungshubschrauber Christoph 13 landete auf einer Wiese hinter der Wohnanlage. Doch die Bemühungen waren vergebens. Nur kurze Zeit später erlag er seinen schweren Verletzungen. Die Anlage an der Meinolfstraße umfasst 84 Wohnungen, 28 befinden sich im Haus Nr. 6. Hans-Werner St. war von Oktober bis Dezember 1996 Mieter.
Bei der Polizei ist er einschlägig bekannt. Schon einmal hatte sich der 64-Jährige im Januar 2003 vor der Polizei verschanzt, als Beamte der Steuerfahndung ihn aufsuchen wollten. Damals griff er ebenfalls in der Wohnung an der Meinolfstraße eine Finanzbeamtin an und flüchtete anschließend. In seinen damaligen Büroräumen an der Alsenstraße stellte ihn das SEK und riegelte das Gebäude ab, nach vier Stunden gab er schließlich auf und ließ sich widerstandslos festnehmen.

Artikel vom 07.06.2005