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Federer schafft's
nicht ohne Schweiß

Titelverteidiger zittert sich gegen Söderling zum Sieg

Von Oliver Kreth
Halle (WB). Seine Leichtigkeit des Rasenspiels sieht eigentlich anders aus. Roger Federer musste gestern auf dem grünen »Parkett« von Halle schweißtreibende Überstunden machen, um die erste Runde zu überstehen.

Drei lange Sätze brauchte der Weltranglisten-Erste aus der Schweiz um den Schweden Robin Söderling schließlich mit 6:7 (5:7), 7:6 (8:6), 6:4 zu schlagen und in die zweite Runde einzuziehen, wo er jetzt auf den Deutschen Florian Mayer aus Bayreuth trifft. Federers Vorsatz: »Ihn werde ich auf keinen Fall unterschätzen. Wir haben letztes Jahr in Wimbledon miteinander trainiert. Er kann gefährlich werden.«
Ungewohnt bei dem tennisspielenden Oberwiler Uhrwerk mit ästhetischem Anspruch waren die zahlreichen Fehler, die er unbedrängt von der Grundlinie machte. Sein erster Aufschlag kam ebenfalls nicht gewohnt. Klar, dass der Titelverteidiger nach dem Match kräftig durchatmete. »Einen kurzen Moment habe ich schon daran gedacht, dass das schief gehen kann. Deshalb bin ich jetzt besonders glücklich und zufrieden, dass es doch noch geklappt hat.«
Seine Erkenntnis von Montag - »Normalerweise brauche ich drei Tage für die Umstellung von Sand auf Rasen. Deshalb ist jetzt jede Stunde wichtig« - stellte sich als richtig heraus. Seine Einsicht nach dem Match: »Ich muss noch energischer ans Netz gehen, muss beim Aufschlag noch konzentrierter sein, da er auf Rasen natürlich noch wichtiger ist als auf Sand.« Allerdings zollte er auch seinem Gegner für eine starke Leistung Respekt: »Er hat super aufgeschlagen. Seine Returns kamen gut.«
Allerdings hatten die beiden im dritten Satz auch eine verbale Auseinandersetzung. Söderling brach einen Punkt ab, Federer war sauer, setzte sich auf die Bank. Nach einem Disput mit italienischen Stuhlschiedsrichter Romano Grilotti ging's nach Unmutsäußerungen und Eingriff von Oberschiedsrichter Ed Hardisty (England) weiter, dann servierte der Schwede auch noch ein Ass zum Spielgewinn. Federer ärgerte sich auch nach dem Match noch grün: »Das Thema ist nicht durch.«
Trösten konnte er sich mit dem Sieg und der Verleihung des Michael-Westphal-Award, der dem 23-Jährigen zum zweiten Mal überreicht wurde.
24 Spiele in Folge hatte der Weltranglisten-Erste auf seinem Lieblingsbelag gewonnen. Er ging als klarer Favorit in die Partie. Und führte schnell mit 3:0. Doch dann wachte Söderling auf. Nach 24 Minuten war das Duell wieder ausgeglichen. Und Söderling schmetterte seinem Konkurrenten die Aufschläge mit 220 km/h um die Ohren. Nach 50 Minuten hatte Robin Roger Satz eins abgenommen.
Federers Coach Tony Roche und seine Lebensgefährtin Miroslava »Mirka« Vavrinec saßen dennoch weiter stoisch auf ihren Logensitzen. Im Schweizer brodelte der Vulkan und brach mehrfach aus. Erst ein Fluch, dann flog ein Schläger, dann wurde er lauter als ein Alphorn. Denn auch im zweiten Satz hielt Söderling mühelos mit. Im zweiten Tiebreak der Begegnung begann Söderling dann doch zu zittern: Die Angst vor dem Sieg war unübersehbar. Die Fans atmeten auf: Satz drei musste die Entscheidung bringen.
Der entwickelte sich wie Durchgang eins. Federer führte 3:0, Söderling glich aus und servierte selbst bei einem Breakball gegen sich zweite Aufschläge weiterhin mit Topspeed. Bitter für den Außenseiter: Mit einem Doppelfehler gab er das Match nach zwei Stunden und zwanzig Minuten ab.
Federer war erleichtert: »So habe ich wenigstens noch ein Spiel vor Wimbledon.« Vielleicht werden es aber jetzt drei Siege mehr, und Federer wäre damit nach dem gestrigen mühseligen Auftakt der Hattrick bei den Gerry Weber Open gelungen.

Artikel vom 08.06.2005