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Winkend verabschieden die D-Jugendfußballer sich vom Publikum nach ihrem 3:0 - Sieg
vor großer Kulisse. Auch dies bleibt sicherlich ein unvergessliches Erlebnis

»Davon werdet ihr den
Urenkeln noch erzählen«

Das unvergessliche Erlebnis im Windsor-Park-Stadion

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Belfast/Ummeln (ho). Aufregung pur und Herzklopfen bis zum Anschlag: Für die Jungs der D-Jugend des VfL Ummeln erfüllte sich am Samstagabend im nordirischen Belfaster Windsor-Park-Stadion ein Traum, »von dem Ihr als 80-jährige noch Euren Urenkeln erzählen werdet«. So A-Jugendtrainer Marian-Georg Jonietz.

Die Jungkicker liefen beim Länderspiel Deutschland gegen Nordirland mit den »Großen« der beiden National-Mannschaften in die Arena ein, beobachtet von den etwa 15000 fußballbegeisterten Schlachtenbummlern im Stadion und einem Millionenpublikum vor den Fernsehschirmen. Und beim Erklingen der Nationalhymnen »lief uns schon ein Schauer den Rücken herunter, so etwas Großartiges haben wir noch nie erlebt«.
Seit Monaten hatten die 10- bis 14-jährigen diesem Moment entgegengefiebert, voller Stolz dann in Belfast die vom Deutschen Fußball Bund für den Einlauf gelieferten Trikots (rotes Shirt, weiße Hose) angezogen. Spannung bis zum letzten Moment, denn erst kurz vor Spielbeginn war klar, dass die Ummelner mit der nordirischen Auswahl einlaufen würden, ihre Alterskameraden vom gastgebenden FC Lisbellaw die Mannschaft von Klinsmann und Co als »Paten« hatte.
»Ein irres, ein Super-Gefühl«, beschreibt der 13-jährige Sebastian Giersch seinen Eindruck, vor einer erwartungsvollen Zuschauerkulisse mit den Idolen der Fußballwelt auf dem Rasen zu stehen. »Das schafft so gut wie keiner, damit können wir mächtig "angeben". Wir sind einfach nur stolz«. Und Tim Niklas Brilka (11) fand es »geradezu spannend, vor so vielen Zuschauern aufzutreten«. Vor dem Stadioneinlauf habe er ein richtiges Kribbeln im Bauch gespürt, auf dem Platz sei die Nervosität wie weggeblasen gewesen.
Malte Schönfeld (12) hatte »gar Angst, ins Stolpern zu geraten. Aber als die Hymne erklang, war das ein richtig gutes Erlebnis«. Und Mathias Wiebe (13) machte aus der anfänglichen Aufregung keinen Hehl. »Ich hatte wahnsinniges Herzklopfen, als ich die vielen Menschen und die Fernsehkameras sah«. Markus Schönborn (13): »Einfach unbeschreiblich«. Ilias Yarhin (11) empfand den Stadion-Einlauf »als ein gutes Erlebnis, das durch nichts zu übertreffen ist«. Sebastian Haueisen (11) schließlich brachte seine Begeisterung auf den Punkt: »Ein super,super gutes Gefühl«
Und er war dann auch einer der ersten, die noch während des Spiels im heimatlichen Deutschland anriefen. »Meine Freunde und meine Schwester haben uns im TV gesehen, das war einfach toll«. An diesem für die Jungkicker unvergesslichen Abend glühten die (Handy-) Telefondrähte zwischen Ummeln und Belfast. »Alle wollten wissen, ob die Lieben daheim im Fernsehen zuschaut hatten«, sagt Jugendleiter Hans Keuch. »Und die Jungs waren prima zu sehen, das Kamera-Team ist die ganze Front mit abgeschritten«. Klar, dass die Live-Übertragung im fernen Deutschland, auf Kassette oder DVD aufgezeichnet wurde, Gesprächsstoff noch an so manchem VfL-Vereinsabend bieten wird.
Ein wenig traurig allerdings waren die Jungkicker, dass ihre spielerischen Qualitäten nicht übertragen wurden. In der Halbzeit durften die Ummelner als deutsche »Nationalmannschaft« gegen eine Auswahl des FC Lisbellaw antreten, taten es ihren erwachsenen Kollegen nach und »putzten« die Kontrahenten mit 3:0. Und in einem zweiten Spiel als D-Jugendvereins-Mannschaft gegen Gleichaltrige aus Lisbellaw verbuchten sie mit 2:1 ebenfalls einen Sieg.
Davon bekamen die Zuschauer an den Fernsehschirmen nichts mit. »Stattdessen gab es wieder dieses unsägliche Gequatsche von Günther Netzer und Günther Delling«, so Jugendleiter Hans Keuch.
In schlechter Erinnerung bleibt den Fußballjungs aus Ummeln (Noch-) DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. »Der hat die Jungs keines Blickes gewürdigt«, ärgert sich Keuch. »Sportbegeisterte Kinder, die voller Elan stecken, einfach so links liegen zu lassen, ist schon ein starkes Stück. Dabei wusste man beim DFB doch genau, dass wir extra zu diesem Spiel nach Belfast gekommen waren«. Seinen Unmut über den eher peinlichen Auftritt von Meyer-Vorfelder will Keuch auch in einem Brief an den Deutschen Fußball Bund zum Ausdruck bringen. Und mit Kritik an dem mächtigen Fußball-Boss geizten auch die vielen aus Deutschland angereisten Schlachtenbummler nicht. »Meyer-Vorfelder raus«, skandierten die Zuschauer immer wieder.
Letztlich aber überwog die Begeisterung über den 4:1 Sieg der deutschen Nationalmannschaft., zumal sich deren Mitglieder unkompliziert, offen und freundlich nach dem Abpfiff gegenüber dem Fußball-Nachwuchs aus Ummeln gaben. »Kein Problem, als wir Klinsmann, Jens Lehmann, Patrick Owomoyela, Michael Ballack , Sebastian Deisler oder Tim Borowski um ein Autogramm auf unserem Fußball baten«. Und ein besonderes Erlebnis bei der Autogramm-Jagd hatte Sebastian Haueisen (12), begeisterter Fan von Kevin Kuranyi. „Der saß schon im Mannschaftsbus, als ich ihm durch die Scheibe mein Trikot zeigte, meine Bitte um ein Autogramm signalisierte«. Prompt kam der Nationalspieler heraus, unterschrieb auf dem noch schweiß-nassen Shirt. »Eine tolle Geste«, meinten Thomas und Andrea Haueisen, Eltern von Sebastian, die ihren Sprössling auf der Reise begleiteten. »Das Hemd wird garantiert nicht gewaschen...«.
Die beiden Halbzeit-Siege der Ummelner Kicker haben noch ein »Nachspiel«. Hans-Dieter Mühlenweg, der die Delegation als Vertreter der Brackweder Kaufmannschaft begleitete, hatte den D-Jugendspielern bei einem Sieg einen großen Kaktus versprochen. »Den bin ich jetzt los. Die Jungs, die durch unwahrscheinliche Schnelligkeit und Taktik überzeugten, haben sich die Stachelpflanze redlich verdient«, beglückwünschte Mühlenweg die Ummelner Mannschaft.
Erschöpft, aber zufrieden und überglücklich traten die jungen Leute und ihre Betreuer spät nachts die Heimreise von Belfast in ihr Quartier nach Enniskillen an. Wertmutstropfen am Ende eines schönen Ausflugs- und Fußballtages: Kurz vor der Autobahn bewarfen unbekannte Jugendliche den Bus mit Steinen und Glasflaschen. Eine Seitenscheibe ging zu Bruch, zwei Steine und eine Flasche landeten im Fahrzeug, verletzt wurde zum Glück niemand. Bezirksamtsleiter Egon Schäffer und Bezirksvorsteher Siegfried Kienitz: »Es gibt immer wieder unverbesserliche Spinner«.

Artikel vom 06.06.2005