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Kein Grund zur Angst -
Schostakowitsch sticht

7. Freitagskonzert der Bielefelder Philharmoniker

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Nach »Keine Angst vor Bartok« in der vergangenen Spielzeit widmeten die Bielefelder Philharmoniker unter dem Titel »Keine Angst vor Schostakowitsch« ihr siebentes Freitagskonzert einem Komponisten, der wie nur wenige in relativ kurzer Zeit einem radikalen Wandel in der Bewertung seiner Persönlichkeit und seines Werks ausgesetzt war.

Auch in der Programmauswahl offenbarten sich schlaglichtartig Charaktermerkmale einer Musikerpersönlichkeit, die in der Sowjetunion stets den Spagat zwischen Systemtreue und künstlerischer Freiheit zu vollziehen hatte.
Die »Ouvertüre über russische und kirgisische Volksthemen« entstand 1963 »Zu Ehren des 100. Jahrestages des freiwilligen Beitritts Kirgisiens zu Russland«. Heute aktueller denn je, vollzog Schostakowitsch musikalisch neben einer Gegenüberstellung volkstümlicher Melodien auch die Annäherung, indem er Kontraste zwischen russischen und kirgisischen Themen durch motivische und harmonische Wechselbeziehungen vermied und zugleich seinem westlich geprägten Orchesterstil treu blieb.
Unter dem Dirigat von Kevin John Edusei, der nach fulminantem Operndebüt (»Fidelio«) auch am Konzertpult äußerst überzeugend mit Über- und Weitsicht agierte, gingen Form und Inhalt eine gelungene Synthese ein. Edusei lenkte mit Sinn für Klarheit in den Themen und Instrumentengruppen, vollzog aber auch die Steigerungskurve hin zu klanglichem Bombast sehr differenziert, klangsinnlich und transparent.
Die Zügel behielt Bielefelds neuer erster Kapellmeister auch im Gegen- und Miteinander des 2. Konzerts für Violoncello und Orchester fest in der Hand. Edusei sorgte durch ausgefeilte Dynamik für Zusammenhalt und Spannungsreichtum, derweil Hans-Jürgen Schicht, Solo-Cellist des Philharmonischen Orchesters, seinen gespannt-expressiven Part mit betörend dunklem Lamento-Gesang anging, später in der Mischung aus Introvertiertheit und plötzlichem Ausbruch immer wieder ausdrucksvoll seinen Ton zu modulieren wusste -Ê und dafür schon mal eine kleine Unreinheit in Kauf nahm. Neben einem solide gemeisterten Solopart brillierten die paarweise geführten Instrumentengruppen mit kammermusikalischem Atem. Vornehmlich Blech- und Holzbläser, aber auch das groß besetzte, prägnant aufspielende Schlagwerk.
Die von Beginn an ungewöhnliche Sitzordnung des Orchesters -Ê Violinen und Bratschen gegenüber, Celli in der Mitte -Ê entfaltete ihren besonderen Klangreiz am deutlichsten noch in der abschließenden Suite zum Film »Die Hornisse« mit ihren (teilweise) deutlich abgegrenzten Streichergruppen, die auch im Zusammenklang sehr präzisionsgeschliffen und homogen aufspielten. Das zwölfsätzige Werk mit seinen Tanz-, Marsch- und romantischen Adaptionen entfaltete eine regelrechte Sogwirkung. Heiter und von einer Leichtigkeit im Duktus der Tänze, romantisch verträumt bis melancholisch in den langsamen Sätzen, triumphal im Finale, verstand es Edusei, die Stimmung stets in der Schwebe zu halten und nie in zu viel Süße oder auch Schärfe abzugleiten.
Ein erfrischendes Werk, bei dem das Orchester auf Spitzenniveau spielte.

Artikel vom 06.06.2005