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Das letzte
Märchen am
Herdfeuer

Anne-Karin Hahs nimmt Abschied

Von Sabine Schulze (Text und Foto)
Bielefeld (WB). Mit sehr gemischten Gefühlen und einer Träne im Augenwinkel ist Anne-Karin Hahs gestern zum Bauernhaus-Museum gefahren: Zum letzten Mal hat die Märchenerzählerin dort am Feuer Kinder (und Erwachsene) um sich versammelt, um sie mit ihren Geschichten zu fesseln.

Angefangen hat alles 1982, noch in dem alten Bauernhaus-Museum, in dem die 63-Jährige als Hausmeisterin und »Museumshilfe« wirkte und dem sie lange nachtrauerte. »Aus der Not heraus und weil Gäste da waren, bin ich eingesprungen und habe ein Märchen erzählt.« Daraus wurde irgendwann mehr, und schließlich war Anne-Karin Hahs eine von zwei »Märchentanten«, die regelmäßig auf der Ochsenheide und später auch im Museum Huelsmann die alte Tradition des Erzählens pflegten.
Wie häufig sie am Feuer gesessen, nebenbei gesponnen und »Es war einmal . . .« gesagt hat, weiß die 63-Jährige nicht mehr. Tausendmal dürfte es gewesen sein. Mehr als 200 Märchen umfasst das Repertoire von Anne-Karin Hahs, Märchen der Gebrüder Grimm, von Hauff und Andersen. »Meine persönliche Vorliebe aber sind russische Märchen.«
In den Hoch-Zeiten des Erzählens, in der Adventszeit, hat sie zuweilen vier Märchenstunden hintereinander abgehalten. »Da war ich froh, wenn ich abends noch Stimme hatte.« Zuviel aber wurde es ihr nie: »Ich mag Kinder einfach gerne.« Und wenn Gruppen einmal etwas unruhiger waren, dann hat sie die quengeligsten Geister unter ihnen schlicht einbezogen. Zuhörer in Klassenstärke waren ihr am liebsten, aber auch vor hundert Menschen hat sie schon erzählt. »Ich habe nie jemanden weggeschickt.«
Für ihren letzten Märchennachmittag hatte sie sich drei Geschichten vorgenommen - im Andersen-Jahr von dem dänischen Dichter: »Die Prinzessin auf der Erbse«, »Des Kaisers neue Kleider« und »Tölpelhans«. Was es mit der Prinzessin auf sich hatte, wussten ihre kleinen Zuhörer, die sich um sie versammelt hatten, ungefähr. Dass sie auch einmal spontan dazwischenreden, stört die erfahrene Erzählerin, selbst Mutter von zwei Kindern und auch schon Großmutter, nicht: »Damit muss man umgehen können.«
Dass sie jetzt aufhören will, hat einen simplen Grund: Seit Jahren lebt Anne-Karin Hahs in ihrem Elternhaus bei Lübbecke. »Mir wurde die Fahrerei zuviel, besonders im Winter. Und Auto fahre ich sowieso nicht gerne.« Sollte allerdings »Not am Mann« sein - »dann sage ich ja und komme«, versprach die »Märchentante«.

Artikel vom 06.06.2005