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Prof. Dr. Friedrich Degenhardt, Chefarzt im »Klösterchen«

Krebsvorsorge wird zu selten wahrgenommen

Jede achte bis neunte Frau von Brustkrebs betroffen

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Jede achte, neunte Frau wird in ihrem Leben mit einer Diagnose konfrontiert, die von einem Moment zum anderen alles verändert: Brustkrebs. Ein Todesurteil ist das heute längst nicht mehr. Wichtig aber ist, einen Tumor in einem möglichst frühen Stadium zu entdecken. Die Chance der Krebsvorsorge aber nutzen nach wie vor nur etwa 40 Prozent aller Frauen.

»Dabei bietet die Kombination aus Sonographie (Ultraschallaufnahme) und Mammographie, also einer Röntgenaufnahme der Brust mit geringer Strahlenbelastung, eine Sicherheit von 92 bis 95 Prozent, ein Mammakarzinom aufzuspüren«, betont Prof. Dr. Friedrich Degenhardt, Chefarzt der Frauenklinik am Franziskus Hospital. Gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Elfi Liman, Chefärztin der Frauenklinik am Evangelischen Krankenhaus Bielefeld, leitete er am Samstag das 2. Mammakarzinom-Symposium in der Kunsthalle. Veranstalter war das Brustzentrum Bielefeld-Herford.
Degenhardt hofft, dass das Screening, die Reihenuntersuchung, die im Herbst in Bielefeld beginnt und sich an Frauen ab 50 richtet, 75 Prozent von ihnen erfasst. Dabei allerdings ist Brustkrebs längst kein rein weiblicher Tumor: Jeder 100. Betroffene ist ein Mann. »Ein Symptom ist häufig eine Veränderung der Brustwarze.« Damit gehen die Männer dann zumeist zunächst zum Urologen, der sie an den Gynäkologen überweist. »Die Therapie unterscheidet sich nicht von der bei der Frau.«
Die Überlebensrate beim Brustkrebs, der im Stadium I entdeckt wird, liegt bei optimaler Therapie heute bei 90 bis 95 Prozent. Und in 75 bis 80 Prozent der Fälle ist die brusterhaltende Operation heute der Standard. Bei jeder dritten Frau wird die »Sentineltechnik« angewandt: Es wird der Lymphknoten, der im Abflussgebiet des Tumors liegt, entfernt und feingeweblich untersucht. Ist er frei von Tumorzellen, kann man davon ausgehen, dass dies für alle Lymphknoten gilt: Die Achselhöhle muss nicht ausgeräumt werden, der Gewinn an Lebensqualität für die Patientin ist groß.
Degenhardt empfiehlt jeder Frau, mit spätestens 45 Jahren eine Basismammographie machen zu lassen, die später als Vergleichsbild dienen kann. Sinnvoll ist dann ab 45, 50 Jahren eine jährliche Ultraschalluntersuchung und alle zwei Jahre eine Mammographie. Engmaschiger sollten die Kontrollen sein, wenn eine Frau während der Wechseljahre zur Linderung von Beschwerden Hormone nimmt. Ihre panische Ablehnung, wie sie vor Jahren nach der Veröffentlichung einer in den USA durchgeführten Studie über die Hormonersatztherapie aufkam, muss nach Degenhardt nicht sein: »Wir nehmen eine andere Hormonkombination als die Amerikaner, und wir fangen in Europa im Schnitt zehn Jahre früher mit der Hormongabe an.« Die US-Patientinnen waren zudem zwischen 62 und weit über 70 - ein Alter, in dem die Europäerinnen meist keine Hormone mehr nehmen. Ausdrücklich betont Degenhardt zudem, dass die Antibabypille »außen vor« ist und ohnehin kein Brustkrebsrisiko bedeutet.
Geringer ist dieses Risiko für Frauen, die ihre erste Periode spät bekommen und lange gestillt haben. Auch Ernährung und Bewegung spielen eine Rolle: Wer dreimal in der Woche Sport treibt, kann sein Risiko um ein Drittel senken. »Ein Zuviel bewirkt aber wiederum das Gegenteil, weil das Stress für das Immunsystem bedeuten kann.« Deutlich erhöht ist das Risiko von Frauen, in deren naher Familie Brustkrebs vorkam. »Es ist verfünffacht.«
1,6 Milliarden Mark kostet der Brustkrebs jedes Jahr in Deutschland: Krankenhausaufenthalte, Operationen, Therapien und Arbeitsausfälle eingerechnet. Nicht jede Therapie, die eingesetzt wird, wirkt bei jeder Frau: »Es wird übertherapiert, weil man vorher oft nicht weiß, bei wem eine Behandlungsmethode anschlägt«, sagte Privat-Dozent Dr. Hans-Joachim Lück, Hannover. Aber: »Das vermeidet Rezidive. Und nichts ist so teuer wie ein metastasiertes Mammakarzinom.« Um die Frauen aber nicht unnötig zu belasten, so Degenhardt, werde während einer Chemotherapie regelmäßig getestet, ob ein Tumor anspricht.

Artikel vom 06.06.2005