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Spiel, Satz, Sieg Bräutigam

Eine Woche vor seiner Hochzeit schlägt Michael Stich in Halle Jim Courier

Von Hans Peter Tipp
Halle (WB). Als »Legende« war er bei den French Open in Paris, als »Champion« ist er bei den Gerry Weber Open: Michael Stich hat acht Jahre nach seinem Rücktritt vom aktiven Sport genug zu tun. Und in einer Woche wartet eine weitere Hauptrolle: Dann heiratet der Ex-Tennisprofi seine Freundin Alexandra Rikowski (35).

Der Prominentenstatus bringt es mit sich, dass es rund um diese Vermählung auf der Nordseeinsel reichlich Rummel gibt. Von Freitag bis Sonntag feiert der 36-Jährige auf Sylt seine zweite Hochzeit. Zwar bleibt am Freitag bei der standesamtlichen Trauung im reetgedeckten Heimatmuseum in Keitum und am Samstag bei der kirchlichen Zeremonie in der St. Severin Kirche die Öffentlichkeit draußen.
Doch ansonsten wolle sich das frisch vermählte Paar, wie eine Hamburger PR-Agentur wissen ließ, mehrmals Fotografen und Kamerateams von der besten Seite zeigen. Gefeiert wird standesgemäß, freitags in der »Sturmhaube« in Kampen, samstags zunächst im »Gogärtchen« in Kampen und später im »Sansibar« zwischen Rantum und Hörnum.
Sein Auftritt bei den Gerry Weber Open, die zum zweiten Mal mit einem Turnier der Altmeister eröffnet werden, steht aber mit der Hochzeit nicht im Zusammenhang. »Dass der Pokal, den es hier gibt, als Hochzeitsgeschenk ausreicht, glaube ich nämlich nicht«, scherzte gestern der Wimbledonsieger von 1991 als »Titelverteidiger« vor seinem Spiel gegen Jim Courier, das er 7:6, 7,6 gewann. Ob er aber den überdimensionalen »Pott« wieder mitnehmen darf, entscheidet sich erst an diesem Samstag. Im Finale der Grand Slam Champions Trophy trifft er jetzt auf den Österreicher Thomas Muster, der Boris Becker besiegte.
»Wenn ich eins weiß, ist es, wie man auf Rasen Tennis spielt«, hatte sich Stich bereits vor dem Match gegen Courier siegesgewiss gezeigt. Aber auch der Verlierer fand's okay: »Zwei Mal sechs Punkte gegen einen Rasen-Experten. Ich kann heute Nacht gut schlafen«, sagte Courier.
Doch Pokal, Preise und Prämien sind es nicht, die Stich und die anderen ehemaligen Tennisgrößen noch reizen. »Der Spaß und das Wiedersehen mit den Kontrahenten von einst stehen im Mittelpunkt«, sagt auch Stich. Das ist in Halle nicht anders als bei der ATP-Seniors Tour, einer Turnierserie durch mittlerweile 12 Städte, bei denen die Alt-Stars ein Rendezvous mit der eigenen Vergangenheit feiern.
»Ich finde die Idee gut, den Zuschauern die Gelegenheit zu geben, ihre 'heroes' noch einmal zu sehen«, sagt Stich, der nach seinem Rücktritt erst eine fünfjährige Tennis-Auszeit genommen hatte. Mit Courier verbinden ihn einige enge Duelle: Mal gewann der Deutsche, mal hatte der US-Amerikaner das bessere Ende für sich - aber schon damals bekundeten sich beide größten Respekt. »Wenn alle Topspieler in Bestform gegeneinander spielen, würde der Sieger immer Michael Stich heißen«, sagte Courier.
»Leider hatte ich nicht so oft Bestform«, sagt Stich heute und gibt das Kompliment zurück: »Jim war ein toller Sportsmann, ein unglaublich fairer Gegner.« An eine Begebenheit wollte sich Stich gestern genau erinnern. Beim WM-Finale 1993, dem »Masters«, habe Courier in einer Spielpause angefangen, auf dem Court ein Buch zu lesen. Wie man sich täuschen kann. Denn der Amerikaner erinnerte sich: »Es war nicht gegen Stich, sondern gegen Medwedew.«
Und Courier wusste auch noch, was er gelesen hatte: Armistead Maupins Geschichte aus San Francisco, »Maybe the moon«.

Artikel vom 04.06.2005