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»Die Eintracht
ist ein Stück
Lebensqualität«

Braunschweig wieder Zweitligist

Von Dirk Schuster
Braunschweig (WB). Wer nicht Blau und Gelb trägt, darf nicht ins Stadion. Wahrscheinlich hat Regionalligameister Eintracht Braunschweig mittels solch einer Auflage versucht, den Ansturm auf Tickets für das Saisonfinale gegen Arminia Bielefelds Amateure zu puffern. Denn die überfüllten Ränge im Stadion an der Hamburger Straße sahen aus, als hielte die FDP hier ihren Parteitag ab.

Allerdings herrschte nach dem Schlusspfiff eine Stimmung, von der Guido Westerwelle und Co. derzeit nur träumen dürfen. Denn die »Aaantracht«, sie schaffte am Samstag im 110. Jahr ihres Bestehens ihren sechsten Aufstieg. Es war bereits ihr dritter in die 2. Bundesliga. Und doch feierten die Fans, als wäre es das erste Mal, dass das gute Stück niedersächsische Fußballtradition den Sprung in Deutschland zweithöchste Klasse geschafft hat. Die 23 500 Besucher widerlegten sogar höchst eindrucksvoll das Vorurteil, ein Stadion mit Laufbahn könne niemals ein Hexenkessel sein. Es kann.
Bis die Braunschweiger den Gewinn der Meisterschaft feiern durften, mussten sie härtere Arbeit verrichten als vermutet wurde. Denn die Amateure des DSC Arminia Bielefeld, denen vorher nur eine Nebenrolle im großen Aufstiegskino zugetraut wurde, spielten in einem höchst abwechslungsreichen Fußball-Film groß auf. Dass Bielefeld trotzdem absteigen muss und Braunschweig aufsteigen darf, lag daran, dass die Gastgeber in Daniel Graf den erbarmungslosen Protagonisten eines Psycho-Schockers stellten, der den Oscar für die beste Hauptrolle einheimste.
Graf erzielte nicht nur die beiden Ausgleichstore, sondern holte auch den Elfmeter heraus, den Jürgen Rische mit der Gelassenheit eines erfahrenen Ex-Bundesligaprofis zum 3:2-Sieg verwandelte. »Dass ausgerechnet er das entscheidende Tor erzielt, erfüllt mich mit Genugtuung. Ich habe immer zu ihm gehalten, auch wenn er das Fan-Lager immer wieder in zwei Lager spaltete«, sagte Eintracht-Trainer Michael Krüger. Der 51-Jährige, seit März 2004 im Amt, ist am Ziel seiner Träume, obwohl der Aufstieg für diesen Sommer noch gar nicht vorgesehen war. Und weil überraschende Erfolge die schönsten sind, rief Krüger sogleich das Party-Motto aus: »Genießen und Saufen.«
Dazu gab's auch reichlich Grund. Denn bis zum Sieg über Arminias Amateure hatten es die Eintrachtler in dieser Spielzeit nicht ein einziges Mal fertig gebracht, einen Rückstand noch in einen Sieg umzumünzen. »Darum ist mir die Analyse jetzt auch schnurzpiepegal«, formulierte Krüger und nahm einen tiefen Schluck aus der Pilsflasche.
Krüger war an diesem Tag einfach Krüger - ungeschminkt gab er vor der Journalistenschar sein Gefühlsleben preis. »Ich habe keine Schwierigkeiten damit, meine Emotionen zu zeigen.« Krüger hatte geweint, als Schiedsrichter Knut Kircher das letzte Saisonspiel abpfiff - Freudentränen auch auf den Gesichtern der Fans. »Eintracht«, formulierte Krüger, »ist in dieser Region einfach ein Stück Lebensqualität.«

Artikel vom 06.06.2005