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Fundament für neuen Weg

Ausstellung in Halle/Saale zum 100. Geburtstag der »Brücke«-Gruppe

Von Jörg Schurig
Halle/Saale (dpa). Eine Ausstellung mit 200 Arbeiten der Dresdner Brücke-Künstler wird morgen im Landeskunstmuseum Galerie Moritzburg eröffnet. Zu den Exponaten aus der Sammlung des Würzburgers Hermann Gerlinger gehören Gemälde, Grafiken, Schmuck, Plakate und Dokumente.

»Die Schau würdigt die 100-jährige Wiederkehr der Gründung der Künstlergruppe Brücke«, sagte eine Museumssprecherin. Zu sehen sind unter anderem die kompletten druckgrafischen Mappen aller Brücke-Jahresausgaben, die heute zu den kostbarsten Beispielen der expressionistischen Druckkunst zählen. Die Ausstellung wird bis zum 21. August gezeigt.
Als Fritz Bleyl, Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff am 7. Juni 1905 in Dresden die »Brücke« gründeten, legten sie unbewusst das Fundament für einen neuen Weg der Malerei. Das Datum gilt als Geburtsstunde des Expressionismus. Ursprünglich wollten die »Brücke«-Architekten im klassischen Sinne Baumeister werden. Sie hatten sich im Fach Architektur an der Technischen Hochschule Dresden eingeschrieben. Doch ihre Gedankenwelt ließ sich nicht auf Statik und Häuserentwürfe reduzieren. Das Manifest der Gruppe zeugte vom Sturm und Drang seiner Verfasser.
»Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt«, hieß es da. Ganze zwei Sätze enthielt das Programm. Forscher haben sich damit befasst, ob den Künstlern das Prädikat Avantgarde zusteht. Das kann zumindest in einem Sinn verneint werden: Die Umgestaltung der Gesellschaft hatten sie genauso wenig im Sinn wie die Zerschlagung des bürgerlichen Kunstbetriebes. Vielmehr griffen sie bewusst auf Traditionen zurück. Der Niederländer Vincent van Gogh stand Pate, auch Edvard Munch und Impressionisten.
Anfangs suchten die Brücke-Maler in der Nachbarschaft Modelle, meist Kinder. Aber auch Landschaften, Stadtansichten und die Welt der Varietés kamen auf die Leinwand. Einen ersten öffentlichen Auftritt gab es im November 1905 mit einer Grafik-Ausstellung in Leipzig. Gemeinsame Expositionen gehörten zum Konzept. 1906 stießen Emil Nolde und Max Pechstein hinzu. Die Künstler hielten mit dem Zeitmaß des 20. Jahrhunderts Schritt.
In vielen Werken dominieren klassische Farbkontraste wie Rot-Grün oder Blau-Orange. »Ihren neuen Begriff von Schönheit und Naturinspiration brachten die jungen Maler in reinen, leuchtenden Farben und in einer reduzierten, grafisch betonten Formensprache zum Ausdruck«, sagt die »Brücke«-Expertin Birgit Dalbajewa. Die provozierend farbigen Bilder gelten heute als Markenzeichen der Vereinigung. Figuren und Häuser wurden räumlich exakt eingebunden - die »Brücke-Architekten« konnten ihre eigentlich akademische Herkunft nicht leugnen.
Als es der »Brücke« in Dresden zu eng wurde, baute sie 1911 ihre Pfeiler in Berlin auf. Weitere Maler stießen hinzu, auch im Ausland. Lange hielt die Gemeinsamkeit aber nicht mehr vor. 1913 löste sich die Gruppe auf. die historische Aufgabe war erfüllt. »Sie haben einen dicken Abdruck hinterlassen. Die »Brücke« war notwendig für eine Erneuerung der Kunst«, sagt der Chef der Gemäldegalerie Neue Meister in Dresden, Ulrich Bischoff.
Daran konnten selbst die Nazis nichts ändern. »Brücke«-Werke hingen 1937 zwar als erste in der Ausstellung »Entartete Kunst«. Heute befinden sich die Bilder der Expressionisten in Museen auf der ganzen Welt. Den größten Bestand besitzt das Berliner Brücke-Museum - 400 Gemälde sowie Tausende Handzeichnungen, Aquarelle und Grafiken. In Dresden kann man auf den Spuren der Gründer wandeln. Zum »100.« bietet die Universität »Brücke«-Führungen zu den Wirkungsstätten.

Artikel vom 03.06.2005