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Die Abwehr bereitet Sorgen

Bundestrainer Klinsmann spricht aber nur über die positiven Seiten

Belfast(dpa). Die Moral macht Mut, die überragende Form von Michael Ballack gibt Hoffnung - doch die Abwehr-Lehrlinge bereiten große Sorgen. Das verdiente 4:1 gegen Nordirland bescherte Jürgen Klinsmann im Hinblick auf den bevorstehenden Confederations Cup viele Erkenntnisse, thematisieren aber wollte der Bundestrainer nur die positiven Seiten.
»Das war durch die Bank eine starke Präsentation der Mannschaft. Wir sind hochzufrieden«, schwärmte Klinsmann vom Auftritt seiner Schützlinge, die trotz eines Rückstandes und 75-minütiger Unterzahl am Ende gegen harmlose Nordiren als klarer Sieger vom Platz gingen. »Es gab keine Abstriche«, fällte Klinsmann ein etwas überraschendes Urteil.
Kapitän Ballack, die alles dominierende Figur, analysierte den vorletzten Test vor der WM-Generalprobe differenzierter. Zwar betonte auch der zweifache Torschütze, der Sieg sei »ganz wichtig für die Moral.« Ballack wusste aber auch den Stellenwert des seit vier Jahren zu Hause sieglosen und in der Weltrangliste nur auf Platz 114 geführten Gegners einzuordnen. »Wenn wir das Ziel haben, den Confed-Cup zu gewinnen, müssen wir auf jeden Fall eine Schippe drauf legen. Vor allem hinten in der Abwehr.«
Damit legte der 28-jährige Mittelfeldstar des FC Bayern den Finger in die für Jedermann erkennbare Wunde. Die Unbedarftheit der Defensivkräfte könnte beim Confederations Cup zum großen Problem werden. Gerade einmal 19 Länderspiel-Einsätze hatten Patrick Owomoyela, Robert Huth, Per Mertesacker und Thomas Hitzlsperger beim Anpfiff gemeinsam vorzuweisen - im Windsor Park gingen sie wie Hospitanten zu Werke.
Huths reflexartiges Handspiel auf der Torlinie bescherte dem Chelsea-Reservisten nach 15 Minuten die Rote Karte und dem DFB-Team das 0:1 durch David Healy. Der Bielefelder Owomoyela auf Rechts und der künftige Stuttgarter Hitzlsperger auf Links hatten mitunter Aussetzer, auch wenn sich Klinsmann der Kritik nicht anschließen wollte: »Es ist ausgeschlossen, dass solch junge Spieler fehlerlos spielen. Das ist ein Lernprozess, man muss ihnen die Gelegenheit geben, zu lernen.« Fehler wie den von Huth »können wir jetzt verkraften, aber nicht im WM-Halbfinale«, ergänzte der Coach. Nur der erst 20 Jahre alte Hannoveraner Mertesacker war, wie Klinsmann feststellte, »wirklich toll«.
»Vorne sind wir gut und hinten unerfahren. Das wird sicher - ich will nicht sagen, ein Problem werden - aber da werden wir sehen, ob das so funktioniert auch gegen stärkere Mannschaften«, formulierte Ballack seine Skepsis. »Wir sind eine Mannschaft. Wenn es hinten nicht so richtig klappt, müssen wir die Dinger eben vorne rein machen«, kommentierte der Schalker Gerald Asamoah, Schütze zum postwendenden 1:1, die Diskrepanz zwischen Abwehr und Sturm. Später wurde es gegen nachlassende Nordiren allerdings besser. »In der ersten Halbzeit haben wir nicht sehr sicher gewirkt. Aber wir haben uns reingebissen, uns durchgeschüttelt und sind aggressiver zu Werke gegangen«, sagte Armine Owomoyela.
Im letzten Testspiel am Mittwoch in Mönchengladbach gegen Russland (20.45 Uhr) wird mit dem 26-jährigen Berliner Arne Friedrich zwangsläufig ein Verteidiger mit etwas mehr Erfahrung zum Zug kommen, da Huth die Mindestsperre von einem Spiel absitzen muss. Zudem ersetzt Stammkeeper Oliver Kahn wieder Jens Lehmann. Viele Alternativen hat Klinsmann in der Defensive aber nicht. »Auf Grund der Tatsache, dass wir fünf Stürmer eingeladen haben und nur drei Innenverteidiger, wird es jetzt vielleicht etwas knapp«, gestand der 40-Jährige.

Artikel vom 06.06.2005