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Das Finale im
Jackson-Prozess

Geschworene beginnen Beratungen

Santa Maria (dpa). Im Missbrauchsprozess gegen Popstar Michael Jackson könnte schon in wenigen Tagen das Urteil fallen. Die zwölf Geschworenen sollten bereits am Freitag mit ihren Beratungen beginnen.
Michael Jackson Fans demonstrieren gegen Staatsanwalt Tom Sneddon. Foto: dpa

Mit einer witzigen Bemerkung wollte Richter Rodney Melville seine zwölf Jackson-Geschworenen zum Prozessende aufrütteln. Dass auch niemand am Schlafen sei, vergewisserte sich der kalifornische Jurist während der trockenen Prozedur, bei der die 20 bis 79 Jahre alten Juroren Anweisungen für ihre Urteilsfindung erhielten. Mit Stift, Notizblock und den 98-seitigen Erläuterungen ausgerüstet werden die acht Frauen und vier Männer voraussichtlich von Freitag an über Michael Jacksons Schicksal richten.
»Sie dürfen sich nicht von Mitleid für oder Vorurteilen gegen den Angeklagten beeinflussen lassen«, hieß es in den Erläuterungen des Richters. Der Richter wies die Geschworenen an, den Fall nur unter sich und nicht mit Außenstehenden zu diskutieren.
Regungslos verfolgte der Angeklagte im Gerichtssaal von Santa Maria die Vorbereitungen auf die Entscheidung, die schon am Montag fallen könnte, vielleicht aber auch erst nach vielen Tagen. Jeden der zehn Anklagepunkte - darunter sexuelle Belästigung eines 13-Jährigen, Alkohol-Vorwürfe und Verschwörung zur Freiheitsberaubung - sprach Richter Melville mit der Jury durch.
Dies habe den Popstar »ein wenig aufgeregt«, sagte Jackson-Sprecherin Raymone Bain. Der Sänger wisse, dass sein Schicksal nun in der Hand dieser zwölf Leute liege.
Jackson wohnte den knapp zweistündigen Anweisungen im Gericht von Santa Maria in Begleitung seiner Eltern und seiner Brüder Tito und Randy bei. Für die Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung gestern und heute hat Melville jeweils vier Stunden angesetzt.
Die 14-wöchigen Verhandlungen mit mehr als 140 Zeugenbefragungen waren ein Auf und Ab, bei dem mal die Anklage, mal die Verteidigung Punkte holte. Mit einem »Pokerspiel« verglich ein Gerichtsexperte das spannende Gerangel um die Alkohol-Vorwürfe gegen Jackson. Der Sänger ist unter anderem angeklagt, dem jetzt 15 Jahre alten Jungen im Frühjahr 2003 Alkohol gegeben zu haben, um ihn dadurch gefügig zu machen. Dies ist strafrechtlich ein Verbrechen.
Der Richter gab der Jury nun grünes Licht, Jackson wegen Verabreichens von Alkohol und damit wegen eines »geringeren Vergehens« zu verurteilen.
Ein Spektakel allerdings fällt ins Wasser. Jacksons »Erzfeind«, Staatsanwalt Tom Sneddon, wird nicht das letzte Wort behalten. Der scharfzüngige Strafverfolger schickt seinen wortgewandten Vertreter Ron Zonen für das Schlussplädoyer ins Feld. »Sneddon ist selber zur Zielscheibe von Jacksons Verteidigern geworden, als übereifriger Verfolger, der den Popstar bis ans Ende der Welt jagen würde«, sagte eine Prozessbeobachterin.
Im Fall eines Schuldspruchs wegen sexuellen Missbrauchs drohen Jackson mehr als 20 Jahre Haft.

Artikel vom 03.06.2005