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Geburtstagskind Nadal
vor der Reifeprüfung

French Open: Halbfinale gegen Federer wird Klassiker

Paris (dpa). Rafael Nadal bekommt die schönste Geburtstags-Party, die er sich vorstellen kann. Am Freitag wird der Tennis-Aufsteiger des Jahres 19 und lädt zur Feier auf den Center Court des Pariser Stade Roland Garros ein.

Der Stargast ist exklusiv: Im Halbfinale der French Open fordert der Teenager den Ranglistenersten Roger Federer heraus. Für den Schweizer ist es der ultimative Test auf dem Weg zum einzigen ihm noch fehlenden Grand-Slam-Titel, für das spanische »Wunderkind« eine Art Reifeprüfung.
Fünf Titel, einen weniger als Federer, hat Nadal in dieser Saison gewonnen. Innerhalb von fünf Wochen stürmte er von Platz 31 der Weltrangliste unter die besten Fünf - als jüngster Spieler seit Michael Chang, der 1989 als 17- Jähriger in Paris triumphierte.
Ähnliches schwebt Nadal vor, der als erster Teenager seit Andre Agassi fünf Titel in einem Jahr gewinnen konnte. Boris Becker schaffte 1986 sechs, Björn Borg 1974 sieben und Mats Wilander 1983 sogar neun. Genau wie der Schwede 1982 will er bei seinem Debüt in Paris die French Open gewinnen. Doch dafür müsste er Federer schlagen, und das haben seit September 2004 nur der Russe Marat Safin im Halbfinale der Australian Open und der Franzose Richard Gasquet im Viertelfinale von Monte Carlo geschafft.
»Die Chancen stehen 50:50. Wenn ich mein bestes Tennis spiele, kann ich gewinnen«, kündigte der seit 22 Matches ungeschlagene Nadal vor dem vorweggenommenen Finale keck an. Dem »Prügelknaben« mit der wilden schwarzen Mähne, der eigentlich wie sein berühmter Onkel Miguel Angel Fußballer beim FC Barcelona werden wollte, war bislang niemand gewachsen.
Zwei Mal haben sich Federer und Nadal bisher gegenüber gestanden, noch nie auf Sand. 2004 in Key Biscayne gewann der Spanier. Ein Jahr später im Finale am selben Ort riss Federer einen 0:2-Satzrückstand herum. »In diesem Match habe ich gelernt, wie man gegen ihn spielen muss«, sagt Federer. »Er ist extrem müde geworden im fünften Satz.«
Federer und Nadal sind zwei grundverschiedene Spieler. Der vor Kraft und unbändiger Energie strotzende Nadal macht noch vieles aus dem Bauch heraus, Federer fast alles aus Kalkül. Nadal hat Arme wie ein Bodybuilder, die mit links geschlagene Vorhand ist sein stärkster Schlag. Federer ist ein Stilist, kompletter als Pete Sampras, der wie Becker, Edberg, Jimmy Connors und Arthur Ashe nie in Paris den Titel holte.
Bislang konnten nur fünf Spieler alle vier Grand-Slam-Turniere zumindest einmal gewinnen: Fred Perry, Don Budge, Rod Laver, Roy Emerson und Andre Agassi. Um diesem exklusiven Kreis schon im Alter von 23 Jahren beitreten zu können, hat sich der sonst ohne Trainer durch die Welt reisende Federer fachkundigen Rat geholt.
Seit Anfang des Jahres arbeitet er von Zeit zu Zeit mit Tony Roche zusammen. Der Australier trainierte früher Ivan Lendl und Patrick Rafter und gewann 1966 selbst in Paris. Roche schaute vor dem bedeutungsvollen Halbfinale schon in die Zukunft: »Dieses Match wird ein Klassiker.«

Artikel vom 03.06.2005