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Wenn sogar der Präsident gratuliert

Qualifikanten im Schatten der Stars: wenig beachtet - aber viel erlebt

Von Stephan Arend
Halle (WB). »Ich möchte einmal im großen Stadion aufschlagen.« Kirill Ivanov-Smolensky kämpft bereits zum neunten Mal um den Einzug in die Hauptrunde der Gerry Weber Open. Ob sein Traum, im Konzert der Großen mitzuspielen, jemals in Erfüllung geht?

Mit 24 Jahren ist der Mann aus Moskau schon relativ alt. Für Aufsehen haben in der Vergangenheit weniger seine Ergebnisse in Halle gesorgt als vielmehr sein »Hotel auf Rädern« - zunächst ein Auto mit Zelt, dann immerhin ein Campingbus. Sympathisch irgendwie. Wäre diese Geschichte bekannt, vielleicht würde der ein oder andere Zuschauer Ivanov-Smolensky die Daumen drücken.
Ist sie aber nicht, und so interessiert vielmehr die Trainings-Einheit von Nicolas Kiefer mit Andrei Pavel drei Plätze weiter. Hat »Kiwi« noch Schmerzen im Nacken? Kann er spielen?
Auch Yves Allegros Auftaktpartie der Qualifikation gerät angesichts dieser Fragen zur Nebensache. Dabei spielt der Schweizer, früher für BW Halle in der Tennis-Bundesliga aktiv, anders als Ivanov-Smolensky öfter mal in den großen Stadien. Der 26-Jährige ist ein ausgezeichneter Doppelspieler, kämpfte für sein Land um Davis Cup-Punkte und an der Seite von Roger Federer um eine Medaille bei Olympia in Athen.
Lokalmatador Christopher Koderisch kehrt nach dem Aus in Runde eins in dieser Woche noch einmal auf den Centre Court zurück - als Zuschauer: »Den Nadal möchte ich gerne mal live sehen.« Nadal ist 19, Koderisch (ATP zwischen 590 und 600) 20 Jahre alt. Da kommt man schon mal ins Grübeln: »Robin Söderling, den ich in der Jugend besiegt habe, steht ganz oben. Natürlich frage ich mich, warum ich das bisher nicht geschafft habe.«
32 Spieler rackern um vier freie Plätze fürs Hauptfeld. Erst wenn diese hohe Hürde genommen ist, werden ihre Geschichten interessant. Bastian Grönefeld hat anders als seine bekannte Schwester Anna-Lena den Sprung vom Junioren-Tennis in die Weltspitze nicht geschafft. Ramon Delgado zerstörte 1998 die Träume des großen Pete Sampras, einmal die French Open zu gewinnen.
Und Wladimir Voltchko lieferte 2000 das Turnier seines Lebens. Nach John McEnroe war der Weißrusse der erste Spieler, der als Qualifikant das Halbfinale von Wimbledon erreichte. An diesem Tag gratulierte sogar der Präsident persönlich am Telefon.

Artikel vom 06.06.2005