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Leitartikel
Zentralschlüssel Steuerpolitik

Darauf muss man erstmal kommen...!


Von Rolf Dressler
Seit Gerhard Schröder, der einsame Wolf im Kanzleramt, gänzlich unvermittelt die Karte »Neuwahlen jetzt« gezogen hat, schlägt das Befindlichkeitsbarometer der Deutschen tagtäglich nach immer neuen Seiten aus.
Mal heulen selbsternannte Verbraucherschützer voller Empörung auf, nur weil, verflixt und zugenäht, »nicht jeder«, der dafür schon frühmorgens Schlange gestanden hatte, bei der pfiffigen Sonderaktion des Groß-Discounters Lidl und der Deutschen Bahn eine verbilligte Fahrkarte ergattern konnte. Als ob jemand beim Lotto einen verbrieften Anspruch und gar eine Gewähr dafür hätte, dass jede Tippreihe gewinnt!
Auch hier offenbaren sich skurrile Mentalitäten im Deutschland 2005, über Jahre und Jahrzehnte herangezogen nicht zuletzt von einer Klientel- und Begehrlichkeiten-Befriedigungspolitik unter jedweden Partei- und Ideologie-Fahnen.
Wem fallen da denn überhaupt noch andere Absonderlichkeiten auf, die sich zur selben Zeit er- eignen? Zum Beispiel, dass ausgerechnet Russland fast aufreizend beiläufig noch in diesem Jahr satte 15 Milliarden Dollar an die Kreditgeber-Länder des sogenannten Pariser Clubs zurückzahlen wird - und dabei der einstigen Wirtschaftslokomotive »Old Germany« mit rund fünf Milliarden zumindest ein wenig schmerzlindernd beim Stopfen seiner Riesenhaushaltslöcher hilft.
Derweil hofft ganz Deutschland auf die Abkehr von dem fruchtlosen Herumdoktern in der Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik. Den politisch Verantwortlichen dämmert es offenbar, dass das mächtig genervte (Wähler-)Publikum die Nase davon inzwischen gestrichen voll hat.
Wer sich jetzt noch um grundlegend neue Weichenstellungen herumdrückt, könnte als maßgebliche politische Kraft ausgespielt haben. Auch noch so »heilige« alte Zöpfe dürfen vor der scharfen Schere nicht mehr sicher sein. Mit Bedacht, aber konsequent und notfalls mit gesunder Überzeugungshärte muss die Politik gerade auch auf dem gewaltig weiten Feld der Steuern und der vielfach sinnlosen (!) Subventionen zu Werke gehen.
Allerdings: Wer etwa die Mehrwertsteuer erhöhen will (was Rot-Grüne wie Schwarz-Gelbe anpeilen), muss den Leuten diesmal vorher sagen, wofür konkret die zusätzlich erlösten Milliarden verwendet werden sollen.
Und: Redet bitte nicht mehr verschleiernd von »Gegenfinanzierung«, wenn in Wahrheit nur wieder saftige neue Schulden zu Lasten künftiger Generationen gemeint sind! Im Wirtschaftsstrafrecht heißt so etwas Konkursverschleppung. Aber vielleicht kommt ja alles noch ganz anders?
Siehe Karikatur in der »Frankfurter Allgemeinen« vom 2. Juni. Drei Sozis im SPD-Fraktionsstübchen überlegen, wie man die Ver- trauensfrage im Bundestag am 1. Juli noch scheitern lassen könnte. Verblüffende Blitzidee: »Gerd Schröder fordert den Neubau von zehn Atomkraftwerken und ein Versammlungsverbot für die Grünen...!«
Darauf muss man erstmal kommen!

Artikel vom 04.06.2005