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Ein junger Wilder erobert Paris

Paris: Rafael Nadal dankt Onkel Toni - Roger Federer freut sich auf Halle

Paris (dpa). Rafael Nadal kam, sah und siegte. Als erster Tennisspieler seit Mats Wilander 1982 hat der junge, wilde Spanier gleich bei seinem Debüt in Paris die French Open gewonnen. Nun rüttelt der Teenager sogar am Thron des Schweizers Roger Federer, den er im Halbfinale ausgeschaltet hatte.

Am Sonntag, zwei Tage nach seinem 19. Geburtstag, bezwang das Tennis-Wunderkind mit 6:7 (6:8), 6:3, 6:1, 7:5 den ungesetzten Argentinier Mariano Puerta, der wie Nadal sein erstes Grand-Slam-Finale bestritt.
Nadal musste im packenden Herren-Endspiel viel länger und schwerer arbeiten, ehe er im Beisein des begeisterten spanischen Königspaars aus den Händen des französischen Fußball-Stars Zinedine Zidane den Pokal und einen Scheck über 880 000 Euro in Empfang nehmen durfte. Allein der erste Satz der beiden Sandplatz-Experten dauerte 72 Minuten. Puerta leistete trotz einer Verletzung am rechten Oberschenkel Widerstand, konnte das Husarenstück seines im Vorjahr ebenfalls ungesetzten Landsmannes Gaston Gaudio aber nicht wiederholen.
Nach 3:24 Stunden verwandelte Nadal den Matchball im ersten French-Open-Endspiel zweier Linkshänder, warf sich mit ausgestreckten Armen und Beinen in den roten Sand und stürmte dann zur Ehrentribüne, wo er sich die Glückwünsche von König Juan Carlos abholte und seinen Eltern, Onkeln und Tanten in die Arme fiel. »Dieser Sieg ist unglaublich«, sagte Nadal, der seinen Tränen freien Lauf ließ. »Ich möchte mich ganz besonders bei meinem Onkel Toni bedanken. Er war mein Trainer von Anfang an, und ohne ihn wäre ich nicht hier.«
Nadal hat sich mit sechs Turniersiegen und nur zwei Niederlagen in 40 Matches nicht nur den Titel des Sandplatz-»Königs« der Saison gesichert. In der Jahresweltrangliste hat der muskelbepackte Mallorquiner inzwischen mit Federer, den er im Halbfinale mit 6:3, 4:6, 6:4, 6:3 bezwang, gleichgezogen. Jetzt will sich der Teenager auch im Rasen-Reich der Nummer eins breit machen. »Eines Tages möchte ich Wimbledon gewinnen«, sagte Nadal kühn, aber nicht ohne Respekt vor dem Schweizer: »Federer ist für mich der beste Spieler der Welt, deshalb ist es ja so erstaunlich, dass ich gegen ihn gewinnen konnte.«
Der Schweizer war beim Versuch, den letzten Gipfel der Tennis-Welt zu erklimmen, einmal mehr gescheitert. Wie Boris Becker, Pete Sampras, Stefan Edberg, Jimmy Connors, Arthur Ashe und John Newcombe fehlte Federer ein Sieg bei den French Open.
Doch anders als seine Vorgänger kann der 23-Jährige beim einzigen Grand-Slam-Turnier auf Sand einen neuen Anlauf wagen. »Die Motivation für das nächste Jahr ist nun umso größer«, sagte Federer, der in Paris kurz vor dem Ziel, im Halbfinale, mit 3:6, 6:4, 4:6, 3:6 gegen Rafael Nadal verlor.
In 49 Matches in diesem Jahr ging Federer nur drei Mal als Verlierer vom Platz, zwei Mal auf Asche. Trotzdem hat er mit Hilfe des früheren Lendl-Trainers Tony Roche viel erreicht in dieser Sandplatz-Saison. Die Wunden, die Paris hinterlassen hat, soll die Rasensaison heilen. Wie Nadal schlägt der Titelverteidiger jetzt am Dienstag bei den Gerry-Weber-Open in Halle auf.
»Ich freue mich darauf, dass ich jetzt auf Gras loslegen kann«, sagte Federer. Auf seinem Lieblingsbelag wird er nichts Neues gewinnen, aber viel verteidigen können: Seit zwei Jahren hat er hier kein Match mehr verloren.

Artikel vom 06.06.2005