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Mit Bloch zurück
zu den Wurzeln

Gerhard Zwerenz feiert in Leipzig

Von Thomas Maier
Frankfurt/Main (dpa). In der alten Bundesrepublik war er einer der produktivsten linken Autoren und zugleich ein erbitterter Kritiker der DDR. Nach der Wende geißelte Gerhard Zwerenz als Bundestagsabgeordneter der PDS die westliche Politik der Wiedervereinigung.
Produktiv und kritisch: Gerhard Zwerenz.Foto: dpa

Der stets unbequeme Schriftsteller hat sich mit beiden deutschen Staaten gleichermaßen angelegt. Im hohen Alter findet der im Taunus lebende Zwerenz, der morgen 80 Jahre alt wird, zu seinen Wurzeln zurück. Der gebürtige Sachse will sein Fest zusammen mit seinem alten Lehrer Ernst Bloch in Leipzig feiern: Zum 120. Geburtstag des Philosophen lädt Zwerenz dorthin am 5. Juni zu einer Tagung ein.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der in der DDR einst verfemte Zwerenz sich nach der Wende wieder dem Osten zugewendet hat. »So wechselhaft ist das Leben«, meint Zwerenz, der 1957 aus der SED ausgeschlossen wurde und dann in den Westen flüchtete. Für die PDS saß er dann von 1994 bis 1998 im Bundestag. Seine Zeit als aufmüpfiger Abgeordneter, der sich nach vier Jahren gefrustet verabschiedete, verarbeitete Zwerenz in dem Buch »Krieg im Glashaus oder Der Bundestag als Windmühle«, das 2000 erschien.
Inzwischen ist es ruhiger um den Rentner geworden. Wenn es allerdings um das Thema Politik oder die »Unvereinigung« zwischen Ost und West geht, ist Zwerenz der alte Kämpfer geblieben. Den Parteien der »Berliner Republik« wirft Zwerenz vor, keine Alternativkonzepte in der Politik mehr aufzuzeigen. »Es gibt keine unterschiedlichen Programme mehr. Ich vermisse die Lebendigkeit der Weimarer Republik«, meint der Schriftsteller, der diese Zeit als Kind noch miterlebt hat.
Der 1925 in Gablenz als Sohn eines Ziegeleiarbeiters geborene Zwerenz lernte zunächst Kupferschmied und meldete sich 1942 freiwillig zur Wehrmacht. Zwei Jahre später desertierte er, geriet für vier Jahre in russische Gefangenschaft und wurde schließlich zur Volkspolizei der DDR zwangsverpflichtet. Wegen Lungentuberkulose aus dem Dienst entlassen, konnte er von 1952 bis 1957 mit Sonderreifeprüfung bei Ernst Bloch in Leipzig studieren.
Auch nach der Übersiedlung in den Westen ließ sich Zwerenz in keine politische Schablone pressen. Auch mit seinen zahlreichen Werken passte Zwerenz nie in eine Schublade: Seine mehr 100 Bücher reichen von Krimis über Kinderbücher bis zu erotischen Texten. Zu den wichtigsten Büchern zählt die 1971 erschienene Autobiografie »Kopf und Bauch. Die Geschichte eines Arbeiters, der unter die Intellektuellen gefallen ist«.

Artikel vom 02.06.2005