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Jetzt geht's um alles, SC Paderborn!

Aufstiegs-Vierkampf am letzten Spieltag der Fußball-Regionalliga

Von Matthias Reichstein
Paderborn (WB). Das gab's in der Fußball-Regionalliga Nord noch nie. Am 38. und letzten Spieltag können noch vier Mannschaften den großen Sprung in die zweite Fußball-Bundesliga packen.

Eintracht Braunschweig und der SC Paderborn 07 (beide 67 Punkte) belegen mit Rang eins und zwei die Aufstiegsplätze, dicht gefolgt vom VfL Lübeck (66) und dem VfL Osnabrück. (64). Alle vier Mannschaften müssen auf Sieg spielen, Heimvorteil genießt nur die Braunschweiger Eintracht, die Arminias Amateure erwartet. Paderborn muss zum VfL Wolfsburg/A., Lübeck ist beim Chemnitzer FC zu Gast und Osnabrück tritt bei Holstein Kiel an. Die beiden Besten steigen auf, sollten zwei Mannschaften punktgleich sein, entscheidet die Tordifferenz über die Platzierung. Ist auch diese identisch, wird die Mehrzahl der erzielten Treffer herangezogen.


Eintracht Braunschweig67 Punkte, +23 Tore

Für Martin Amedick schreibt der Fußball immer noch die schönsten Geschichten: Vor einem Jahr stieg der Innenverteidiger mit Arminias Amateuren aus der Oberliga in die dritte Liga auf, heute spielt Amedick gegen Bielefeld und kann mithelfen, dass die Eintracht wieder Zweitligist wird. Das Stadion an der Hamburger Straße ist mit 23 500 Zuschauern restlos ausverkauft, die Konzentration entsprechend hoch: »Unser Sieg in Paderborn hat gezeigt, was passiert, wenn die Spieler im Kopf schon zu weit sind. Das ist fahrlässig, wir werden dies nicht tun.« Torjäger Ahmet Kuru (24 Treffer) wird beim Thema Aufstieg schon etwas offensiver: »Wir stehen auf Platz eins, genau da gehören wir hin. Jetzt dürfen wir nur nicht mehr soviel reden, sondern müssen einfach gewinnen.«
Bereits am Mittwochabend bezogen die Blau-Gelben ein Trainingslager in Barsinghausen, um sich ganz in Ruhe vorzubereiten. »Der Trubel ist zu groß, überall werden die Spieler auf den Aufstiegskampf angesprochen«, begründet Trainer Michael Krüger den Schritt, der gegen die abgestiegenen Bielefelder 90 Minuten Dauerdruck fordert: »Von der ersten Sekunde an müssen wir demonstrieren, dass hier nur ein Team den Platz als Sieger verlässt.« Personell kann der 51-Jährige aus dem Vollen schöpfen, nur Außenverteidiger Kosta Rodrigues (leichte Zerrung) muss ein bisschen kürzer treten.


SC Paderborn 0767 Punkte, +19 Tore

Das »Ass« heißt René Müller. Mit dem neun Monate lang verletzten Torjäger zieht Paderborns scheidender Trainer Pavel Dotchev vielleicht den entscheidenden Trumpf im »Endspiel«, um die VfL-Arena zu stürmen. Nach drei Einsätzen in Folge soll der 31-Jährige, der vor fast genau zwölf Monaten erst mit Rot-Weiß Erfurt in die 2. Liga aufstieg, in Wolfsburg zum ersten Mal von Beginn an spielen. Eine zweite Änderung im Vergleich zum verlorenen Schlagerspiel gegen Eintracht Braunschweig (1:3) muss der Bulgare im Mittelfeld vornehmen. Alessandro Da Silva wird den gesperrten Michael Lorenz (fünfte Gelbe Karte) ersetzen.
Die alte VfL-Arena war bereits vor 23 Jahren das Stadion, in dem der damalige TuS Schloß Neuhaus in die zweite Liga aufstieg, in der Heimat der Wolfsburger Amateure steht auch die Trainerbank von Uwe Erkenbrecher. Als Spieler und Trainer selbst in Paderborn aktiv, freut er sich auf seinen Ex-Klub: »Spiele gegen Top-Teams der Liga machen immer Spaß. Wir müssen aber über uns hinauswachsen, denn wenn wir eine Supertruppe hätten, wären wir nicht abgestiegen.
Das letzte Auswärtsspiel wird übrigens zur ersten »Heimpartie« des SCP. Mehr als 2000 Paderborner machen sich am Samstagmorgen auf den Weg in die VW-Stadt.


VfB Lübeck66 Punkte, +21 Tore

Der Schock sitzt immer noch tief, die Nerven liegen blank: Der VfB Lübeck hatte am vergangenen Samstag zwar spielfrei, war aber dennoch der große Verlierer. Denn seit Braunschweigs »Dreier« in Paderborn kann der VfB den Aufstieg nicht mehr aus eigener Kraft schaffen. »Schlimmer hätte es nicht kommen können. Wir haben es nicht mehr selbst in der Hand und unser Gegner kann auch noch absteigen«, reagierte Trainer Stefan Böger auf das 1:3 der Paderborner angesäuert.
Entsprechend dünnhäutig verhält er sich seitdem. Als eine Handvoll VfB-Fans am Mittwochmorgen die letzte Übungseinheit vor der Abfahrt ins geheim gehaltene Trainingslager beobachten wollte, brach Böger sofort das Programm ab, bestellte den Mannschaftsbus und fuhr kommentarlos in Richtung Sachsen. Nicht einmal die Spieler kannten das Ziel. Sie wussten nur, dass am Freitag in Chemnitz das übliche Quartier im »Dorint-Hotel« bezogen wurde.
Zumindest ist der Chemnitzer FC als Gegner ein gutes Omen. Am 12. Mai 2002 waren es eben genau die »Himmelblauen«, gegen die der VfB Lübeck den Aufstieg in die 2. Liga endgültig klar machen konnte. Damals gewannen die Marzipanstädter mit 2:1. Ein Sieg reicht am Samstag aber nur, wenn Eintracht Braunschweig oder der SC Paderborn 07 patzen.


VfL Osnabrück 64 Punkte, + 22 Tore

Drei Punkte Rückstand und drei Ausfälle - die Niedersachsen sind in diesem Vierkampf praktisch chancenlos, Trainer Claus-Dieter Wollitz glaubt aber trotzdem noch an den Aufstieg: »Alle müssen auf Sieg spielen und so stabil ist keiner aus der Spitzengruppe, dass er nicht noch einmal stolpert. Vor allem jetzt, wenn der Druck so groß ist.« Ohne Jan Schanda (Jochbogenbruch, bereits am Dienstag operiert), Joe Enochs (Sperre wegen zehnter Gelber Karte) und Björn Joppe (Lebensmittelvergiftung) wird der VfL in Kiel antreten, die Personalmisere ist für Wollitz aber kein Thema: »Ich will gewinnen und wäre enttäuscht, wenn wir am Ende nur Dritter oder Vierter wären.«
Aber »aussichtslose Fälle« sind für die Lila-Weißen nichts Neues. Vor sechs Jahren verspielten sie am vorletzten Spieltag alle Titelchancen, verloren beim Lübeck 0:1. Doch eine Woche später unterlag Lübeck in Kiel, der VfL schlug Arminia Hannover 1:0 und wurde Meister. Torschütze war damals Wolfgang Schütte, der VfL-Dauerbrenner ist auch diesmal im Einsatz und hofft auf ein zweites »Wunder«, auch wenn er die Finalrunde realistisch einschätzt: »Wenn wir Kiel schlagen, liegen unsere Chancen bei 30 Prozent.«

Artikel vom 04.06.2005