03.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Eichel fehlen zwölf Milliarden

Nachtragshaushalt abgelehnt - Kampeter: Lage dramatischer als eingeräumt

Berlin (Reuters). Bundesfinanzminister Hans Eichel fehlen nach eigenen Worten im Haushalt des laufenden Jahres deutlich mehr als zehn Milliarden Euro. Die Finanzierungslücke belaufe sich auf zehn bis zwölf Milliarden Euro, sagte Eichel gestern in der Bundestagsdebatte über den Haushalt.
Damit dürfte der Minister auch im laufenden Jahr einen Haushalt vorlegen, der gegen die Grundsätze der Verfassung verstößt. Nach den Regeln des Grundgesetzes müssen die Ausgaben für Investitionen über der Höhe der neuen Schulden liegen. Der im Etat vorgesehene Abstand beträgt lediglich 700 Millionen Euro. Eichel betonte zugleich, keinen Nachtragshaushalt vorlegen zu wollen, sondern die Lücke durch weitere Einmal-Maßnahmen und die Aufnahme von bereits bewilligten Krediten zu schließen. Dadurch und auch durch die höhere Verschuldung der Länder wird Deutschland zum vierten Mal in Folge gegen den EU-Stabilitätspakt verstoßen.
Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Meister (CDU) warf Eichel und der Bundesregierung vor, sich in der Finanzpolitik vom Boden des Rechts zu verabschieden. »Die Haushaltslage ist dramatisch, nicht nur beim Bund, sondern auch beim Gesamtstaat«, bekräftigte Eichel. Durch die in der Steuerschätzung prognostizierten Mindereinnahmen entstehe 3,8 Milliarden Euro an neuem Risiko. Durch die Reformen am Arbeitsmarkt entstünden bis sieben Milliarden Euro zusätzliche Kosten.
Der SPD-Politiker verwies auf die Lage der Haushalte der Länder, von denen elf keinen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen könnten. Darunter seien auch die unionsgeführten Länder Hessen und Baden-Württemberg. Er machte erneut die Union für die Haushaltslage mitverantwortlich, weil sie die von ihm vorgeschlagenen Subventions-Abbau im Bundesrat blockiert hätten.
Meister forderte Eichel auf, einen Nachtragshaushalt vorzulegen und auch einen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr in das Parlament einzubringen. Dann werde deutlich, dass er auch im kommenden Jahr gegen die Verfassung verstoßen werde. Dies sei dann das fünfte Mal in Folge. Das gleiche gelte auch für die Defizitgrenze des Stabilitätspakt.
Der Unions-Haushaltsexperte Steffen Kampeter (CDU/Minden) sagte, Eichel sei als Finanzminister nicht mehr tragbar: »Er ist ein Haushaltsrisiko für Deutschland. Nach Kampeters Worten ist die Lage im Haushalt zudem weitaus dramatischer als eingeräumt, weil die Übertragung der Mittel aus dem Aufbau-Fonds der Alliierten an die KfW-Bankengruppe nicht mehr gelingen werde. Eichel hatte sich daraus zwei Milliarden Euro zusätzlich versprochen.
Nach Presseberichten hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) mit Rücktritt gedroht, falls die Reformen nicht in den Bundestag eingebracht würden. Laut »Berliner Zeitung« kam es zu einem heftigen Streit zwischen Clement und SPD-Chef Franz Müntefering. Laut »Süddeutsche Zeitung« erklärte Clement in der Koalitionsrunde von SPD und Grünen am Dienstag, ein Verzicht auf die Reformen sei mit ihm nicht zu machen.

Artikel vom 03.06.2005