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Mediziner sind »ausgebrannt«

10. Bielefelder Hausärzte-Tag befasste sich mit dem »Burn-out-Syndrom«

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Die eigene Gesundheit hat beim 10. Bielefelder Hausärzte-Tag, der gestern stattfand, im Mittelpunkt gestanden. Denn während die Mediziner ihren Patienten durchaus einmal eine Auszeit verordnen, neigen sie selbst dazu, auch mit Fieber oder anderen Erkrankungen zu arbeiten - nicht selten bis zur Erschöpfung.

»Wie in vielen helfenden Berufen ist das Burn-out-Syndrom bei Ärzten sehr verbreitet. Sie wissen das auch, aber sie handeln nicht danach«, sagt Dr. Klaus Reinhardt, Sprecher der Initiative Bielefelder Hausärzte, in der 102 Mediziner zusammengeschlossen sind. Denn eigentlich wäre es dann angesagt, einen Gang herunterzuschalten und sich vielleicht gar eine längere Pause zu gönnen.
Das ist bei niedergelassenen Ärzten aus organisatorischen Gründen zuweilen schwierig. »Deswegen gibt es eine Tendenz zur Kooperation und zu Gemeinschaftspraxen«, erklärt Reinhardt. Möglich machte das erst eine Änderung und Liberalisierung des Berufsrechtes. »Das hatte die Mediziner lange zum Einzelkämpfer-Dasein verdonnert«, sagt Reinhardt, für den ein Zwölf-Stunden-Tag die Norm ist. Nach wie vor aber ist die Gemeinschaftspraxis seltener als die Einzelpraxis. »Da hilft dann oft nur eine stärkere Strukturierung der Arbeit.«
Die Belastungen der Ärzte aber werden in den kommenden Jahren zunehmen: Wie die Gesellschaft altert auch die Ärzteschaft. Und: Fast 40 Prozent der Absolventen eines Medizinstudiums gehen nicht in die kurative Medizin. Krankenhäuser haben Schwierigkeiten, Arztstellen zu besetzen, und Praxen finden unter Umständen keine Nachfolger. Das Problem, das zuerst in den neuen Bundesländern auftauchte, ist auch hier längst aktuell: »In Bielefeld suchen Hausärzte derzeit händeringend für zwei Praxen einen Nachfolger«, weiß Reinhardt. Gleichwohl sind Städte noch eine Insel der Seligen; im ländlichen Raum ist der Mangel längst größer.
Das Wissen um die Arbeitsbelastung wird die Situation weiter verschärfen, sagt Reinhardt. »Am Ende werden dann wie in Skandinavien Gruppenpraxen in Ortsteilen entstehen.« Kleinigkeiten und harmlose Dinge würden dann von paramedizinischem Personal behandelt und ein Arzt nur im Zweifel hinzugezogen. »Das Maß an Zuwendung, das wir jetzt noch kennen, wird verschwinden.« In zehn Jahren, schätzt der Hausarzt, werde diese Entwicklung beginnen, in 15 Jahren Tatsache sein.
Ein zweites großes Thema der Fortbildung war die Onkologie, denn nicht selten sind es die Hausärzte, die Krebskranke vor allem in ihren letzten Jahren oder Monaten begleiten. »Es ging um Palliativmedizin, um Schmerztherapie und Nahrungssonden, um die technisch-pragmatischen Gesichtspunkte bei der häuslichen Versorgung. Ziel ist es, solche Patienten seltener stationär zu therapieren, um ihnen Lebensqualität zu erhalten.« Die Belastungen, die auch für sie damit verbunden sind, sehen Mediziner selten: »Es gibt kaum eine sinnfälligere Tätigkeit für einen Arzt.«
Am Hausärztetag im FZZ Stieghorst haben knapp 50 Kollegen teilgenommen. Reinhardt betont: »Die gegenseitige Vertretung war organisiert.«

Artikel vom 03.06.2005