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Türsteher haben Zukunft

Sicherheitsgewerbe im Aufwind - Ausbildung uneinheitlich

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Sie schnappen Ladendiebe, bewachen Fabrikgebäude und regeln den Zugang zu Diskotheken und Fußballstadien: Private Sicherheitsdienste haben in Deutschland Konjunktur.

»Es gibt nicht viele Wachstumsbranchen, eine ist die Sicherheitswirtschaft«, sagte der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, Harald Grefe, beim Branchentreff in Bielefeld. 3000 Unternehmen gebe es mittlerweile in Deutschland, allein 200 von ihnen in Ostwestfalen-Lippe. Der Umsatz der privaten Sicherheitswirtschaft sei sprunghaft auf 4 Milliarden Euro gestiegen, betonte Grefe. 175 000 Personen, zumeist Männer, fänden in dieser Branche Lohn und Brot.
Draufgänger sollten den Berufszweig besser meiden, denn die abenteuerlichen Vorstellungen passen nicht zu der nüchternen Realität. Personenschutz von Ministern oder Schauspielern macht nur einen winzigen Anteil am Arbeitsalltag aus. 36 Prozent aller Beschäftigten sind mit Objekt- und Werkschutz befasst, 20 Prozent sitzen am Empfang und kontrollieren, wer das Tor passieren darf und wer nicht. Haftanstalten und Flughäfen kommen zunehmend als Einsatzorte in Frage, weil das Personal im Knast privatisiert wird und die Angst vor Terroranschlägen den Umfang der Kontrollen auf Airports wachsen ließ.
Wie wird man nun ein Experte für private Sicherheit? »Die Bildungslandschaft ist bunt, die Träger sind nicht vernetzt und verfolgen eigene Modelle«, fasste Rudolf Ochs von der Firma »Ochs Consulting« in Recklinghausen die verwirrende Situation zusammen. Einige Anbieter setzten nur auf Unterricht, bei anderen sei eine Abschlussprüfung verbindlich. So bunt wie die Ausbildungssituation, so bunt sind auch die Bezeichnungen. Da gibt es den Sicherheitsfachwirt, die Werkschutzfachkraft, die Interventionskraft, die Luftsicherheitskraft oder die Fachkraft und den Meister für Schutz und Sicherheit der Industrie- und Handelskammern. Tolle Titel reichen nicht, die Beschäftigungsfähigkeit muss gegeben sein, mahnt die Bundesagentur für Arbeit aus gutem Grund.
»Bei der Vielfalt der Angebote sind Sicherheitsstandards notwendig«, fordert auch Rudolf Ochs professionelle Strukturen in der Aus- und Fortbildung einer Branche, die sich um die sensible Aufgabe der Gefahrenabwehr dreht. »Beobachten, erkennen, melden« kennzeichnen die Tätigkeit der Sicherheitsdienste, deren Mitarbeiter sich mit Rechtskunde bestens auskennen sollten. Die IHK Ostwestfalen zu Bielefeld empfiehlt Betrieben die Ausbildung zur »Fachkraft für Schutz und Sicherheit«. Innerhalb von drei Jahren werde den Anwärtern praxisnahes und kaufmännisches Wissen vermittelt, warb der Referent Berufliche Bildung, Burkhard Hupe. Den Ausbildungsberuf gibt es seit 1. April 2002, die Betriebe bezahlen an die IHK eine Ausbildungsvergütung von 459 Euro im ersten, 510 Euro im zweiten und 612 Euro im dritten Jahr. Mehr als das Geld schreckt die Chefs die Tatsache ab, dass Azubis aus OWL nach Essen gebracht werden müssen, um dort unterrichtet zu werden.
Der Grund ist einfach: Die Nachfrage im Regierungsbezirk Detmold ist so dürftig, dass bislang nie 15 Azubis zusammenkamen, um eine eigene Klasse in Bielefeld einzurichten. OWL ist kein Einzelfall, denn bundesweit wurden 2004 nur 736 neue Ausbildungsverträge registriert. Hinter vorgehaltener Hand gibt die Branche zu, dass schwarze Schafe neue Mitarbeiter ohne gründliche Schulung als billige Arbeitskräfte einsetzen.

Artikel vom 04.06.2005