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»Kranklachen« geht zusammen

Rat für deutsche Rechtschreibung will Änderungsvorschläge beschließen

Von Bernd Glebe
Mannheim (dpa). Die Wächter der deutschen Sprache stehen vor ihrer entscheidenden Nagelprobe. Endgültig beschließen will der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Änderungsvorschläge zur Getrennt- und Zusammenschreibung bei seiner Sitzung am Freitag.

Sollte das gelingen, wäre der am heftigsten umstrittene Teil der hart kritisierten Rechtschreibreform vom Eis. Wird kein Kompromiss in dem Expertengremium erreicht, steht die gesamte Arbeit des Rates in Frage. Das Ziel, den Rechtschreibfrieden wieder herzustellen, wäre in weite Ferne gerückt. Unklar bleibt, welche Auswirkungen die Ergebnisse für die Schulen haben werden.
Der Fahrplan sieht bislang vor, dass die am 1. August 1998 in Kraft getretenen neuen Schreibregeln an Schulen und in Behörden am 1. August 2005 verbindlich werden. Selbst bei einer Einigung des mit Kritikern und Befürwortern der Rechtschreibreform besetzten Rates wird es zumindest bei den Neuerungen voraussichtlich eine nochmalige Übergangsfrist geben - was vor allem für die Fehlerkorrektur an den Schulen gravierende Folgen hätte.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits angekündigt, dass nur die unstrittigen Teile der Reform in Kraft treten werden. Wann die zu erwartenden Änderungen umgesetzt werden, ist offen. Als realistisch wird bereits ein Zeitraum von einem Jahr genannt. Immer mehr bewahrheitet sich nun auch die Befürchtung des Ratsvorsitzenden Hans Zehetmair (CSU), dass der Expertenrunde die Zeit durch die Finger rinnt: Neben dem Komplex der Getrennt- und Zusammenschreibung wollen die Sprachhüter auch Änderungen zur Silbentrennung und Zeichensetzung sowie der Eindeutschung von Fremdwörtern vorlegen.
Bei der bislang für den 1. Juli geplanten letzten Ratssitzung soll eine Beschlussvorlage beim Thema Silbentrennung und Zeichensetzung zur Abstimmung kommen. Um doch noch alle strittigen Fälle abzuhandeln, werden bei der Sitzung am 3. Juni voraussichtlich weitere Termine festgelegt. Bis zu den jeweiligen Ratssitzungen bereiten kleine, siebenköpfige Arbeitsgruppen mit Vertretern aller Interessengruppen die Themen vor.
Die Änderungsvorschläge des Rates bei der Getrennt- und Zusammenschreibung zielen auf ein stärkeres Gewicht der Bedeutung. Das würde bedeuten, Verben wie krankschreiben, kranklachen oder vollquatschen werden nicht mehr getrennt geschrieben. Auch beim Zusammentreffen von Adverbien und Verben wie bei auseinandersetzen oder vorhergehen ist in vielen Fällen wieder eine Zusammenschreibung vorgesehen, weil diese vom Sinn her eine Einheit bilden.
Sollten sich die Experten auf eine gemeinsame Linie einigen können, werden die Beschlüsse Verbänden aus Schulen und Behörden zur Anhörung vorgelegt. Die Kultusministerkonferenz hat dann im Verbund mit Österreich und der Schweiz das letzte Wort.
Der nach heftiger Kritik an der Rechtschreibreform von der KMK initiierte Rat für deutsche Rechtschreibung hatte sich Ende 2004 konstituiert. Er setzt sich aus Sprachwissenschaftlern, Vertretern von Verlagen, Schriftsteller- und Journalistenverbänden, Lehrerorganisationen sowie des Bundeselternrates zusammen.
18 Mitglieder der Runde kommen aus Deutschland, je 9 aus Österreich und der Schweiz sowie je ein Vertreter aus Liechtenstein und Bozen-Südtirol. Die zwei Plätze der Akademie für Sprache und Dichtung sind weiter vakant. Die Akademie wird durch den Potsdamer Germanistikprofessor Peter Eisenberg vertreten, der aber kein Stimmrecht in dem Gremium hat. Beschlüsse können nur mit einer Zwei- Drittel-Mehrheit gefällt werden.

Artikel vom 01.06.2005