04.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Die Chance nicht genutzt:
EXPO-Gelände ist heute öde
Nur wenige Angebote locken Besucher - schöne Pavillons verrotten langsam
Wie die Zeit vergeht! Fünf Jahre ist es nun schon her, seit in Hannover die EXPO eröffnet wurde. Erst heftig angefeindet, zum Schluss heiß geliebt - die Weltausstellung war ein echter Knüller. Aber hat Hannover die Chancen, die aus der Veranstaltung erwuchsen, auch genutzt?
Die auffälligste Verbesserung im Stadtbild ist sicherlich die Aufwertung des öffentlichen Nahverkehrssystems -ÊBusse und Bahnen bilden in Stadt und Umland ein perfekt funktionierendes Netz. Das EXPO-Gelände selbst ist -Êanders als beispielsweise in Sevilla -Êallerdings heute eine Ödnis, die keine Besucher mehr anlockt. Der zur Messe gehörende Teil wird längst wieder für Ausstellungen genutzt, alle Pavillons mussten abgebaut werden. Aber auf dem ehemaligen Süd-Gelände sieht es traurig aus. Zwar wird die Preussag-Arena (heute heißt sie TUI-Arena) weiter für Großveranstaltungen genutzt, aber schon die EXPO-Plaza macht deutlich, dass es an einem sinnvollen Nachnutzungskonzept fehlte. Der deutsche Pavillon und Bertelsmanns »Planet M«, architektonische Blickfänge, liegen im Dornröschenschlaf. Als Ruine grüßt der niederländische Pavillon, wo viele Pflanzen in den höheren Etagen mittlerweile vertrocknet sind.
Der größte Fehler war im Nachhinein, dass die Politiker vor den Einzelhändlern der Innenstadt einknickten. Die fürchteten sich vor Konkurrenz und setzten durch, dass zwar Dienstleistungsunternehmen, nicht aber Geschäfte auf dem Gelände angesiedelt werden durften. Nun bestehen immerhin Chancen, dass IKEA dort einen Neubau errichtet. Das schafft zwar keine EXPO-Atmosphäre, lockt aber viele Menschen an.
Die meisten Pavillons wurden ab- und anderenorts wieder aufgebaut, die Spazierwege der Allee verlaufen weitgehend ins Leere. Einsam aus der Landschaft ragt ein Glanzlicht der Weltausstellung - der jemenitische Pavillon in Form eines Stadthauses der Hauptstadt Sanaa. Längst nagt der Zahn der Zeit an dem Gebäude, welches jetzt als »Yempa Event Center« zu mieten ist. Gelegentlich finden auch öffentliche Veranstaltungen dort statt. Opernregisseur Antonia Claudius lädt jeden ersten Dienstag im Monat um 17 Uhr zur Besichtigung des Gebäudes ein.
Im polnischen Pavillon können Besucher noch am ehesten EXPO-Luft schnuppern - allerdings ist dort nicht mehr der ursprüngliche Gastgeber präsent. Clevere Gastronomen, die mit dem Kulturverein der ASEAN-Staaten kooperieren, haben den »9 Drachen Park« eröffnet und die EXPO-Pavillons diverser südostasiatischer Staaten aus der ehemaligen Halle 26 zu einem neuen Ensemble gruppiert. Ein solches Übermaß an Lokalkolorit macht jeden Betreiber eines China-Restaurants neidisch! Damit nicht genug -Êneben lukullischen Köstlichkeiten werden immer wieder interessante Kulturprogramme geboten - vom chinesischen Tellertanz bis zur japanischen Kampfkunstdemonstration.
Der Belgien-Pavillon ist die Firmenzentrale des Musikproduzenten Mousse T., der für Tom Jones' Comeback-Hit »Sex Bomb« verantwortlich zeichnete. Er hat dort die Peppermint Park Studios eingerichtet und betreibt außerdem die »Funky Kitchen«.
Im finnischen Pavillon haben sich Multimedia-Firmen niedergelassen -Êaber Büros sorgen natürlich nicht für reges Leben auf dem Gelände.
An diesem Wochenende findet nun das nächste Sommerfest auf dem Gelände statt. Bei den bisherigen Veranstaltungen zeigte sich, dass die Menschen aus der Region im Prinzip gern bereit sind, den EXPO-Park zu besuchen -Êaber nur, wenn das Angebot dort stimmt! Thomas Albertsen

Artikel vom 04.06.2005