09.06.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Deutschland fiebert
Hart
am
Ball

Von Friedrich-Wilhelm Kröger

Jeder hat seine eigenen Erinnerungen an die letzte Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Die des Verfassers dieser Zeilen ist, dass er sich nach dem Endspiel mit Familie und Freunden ins Wirtshaus aufmachte, weil es schließlich etwas zu feiern gab. Allerdings wusste einer der Teilnehmer nicht so genau, was.
Unglaublich, undenkbar, unverzeihlich - aber so war«s 1974: Deutschland wurde Weltmeister, nur einen kümmerte das nicht. Der bedauernswerte Zeitgenosse ist bis zum heutigen Tag ein Fußball-Muffel geblieben. Daran wird auch 2006 nichts ändern.
Doch auf Einzelschicksale kann keine Rücksicht genommen werden. Die Weltmeisterschaft wirft ihren langen Schatten seit jenem Tag voraus, an dem sie nach Deutschland vergeben wurde. Sicher hat jede Nation für gewöhnlich erheblich größere Probleme zu beklagen als eine vergebene Torchance ihrer Fußballmannschaft, doch wird in zwölf Monaten der ganz normale Ballwahn nicht zu verhindern sein. Dann liegt ein Land von der Hallig bis zur Zugspitze im Fußballfieber. Wahrscheinlich gibt es in den Supermärkten Engpässe bei Bier, Chips und Salzstangen.
Am Arbeitsplatz wird während dieser Zeit mehr über Abseits als über Arbeitslosigkeit diskutiert, Klinsmann ist wichtiger als der die Kanzler. Oder die Kanzlerin. Ist ja sehr gut möglich, dass es in Deutschland vor dem Großereignis für die Herren noch eine Damen-Wahl gibt. Um die Linientreue müsste sich Frau Merkel im Fußball übrigens keine Sorgen machen, damit hat Herr Schröder schließlich auch nichts zu tun. Seiner politischen Überzeugung zum Trotz bevorzugt er die Schwarz-Gelben von Dortmund.

Artikel vom 09.06.2005