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Telekom bleibt ungestraft

Ermittler: Bilanz geschönt - Einstellung gegen Millionenzahlung

Bonn (WB/kol/dpa/Reuters). Die Telekom wird wegen der umstrittenen Immobilienbewertung in ihrer Bilanz nicht bestraft. Gegen Zahlung einer Millionensumme stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Aktionärsschützer sehen dadurch jene mehr als 15 000 Anteilseigner im Hintertreffen, die gegen die Telekom auf Schadenersatz klagen.

Die Staatsanwaltschaft Bonn verzichtet auf eine Anklage gegen Verantwortliche der Deutschen Telekom, obwohl sie deren Bewertung des Immobilienvermögens des Konzerns in den neunziger Jahren für deutlich zu hoch und teilweise strafrechtlich relevant hält. Die restlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschbilanzierung in den Jahren 1995, 1996 und 1997 und des Kapitalanlagebetrugs im Rahmen des Börsengangs 1996 seien vorläufig eingestellt worden, teilte die Staatsanwaltschaft gestern in Bonn mit. Auch die Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe die Strafverfolgungsbehörde eingestellt.
Die sechs beschuldigten Manager müssen zwischen 20 000 Euro und 250 000 Euro an die Staatskasse zahlen. Die Telekom wird zudem fünf Millionen Euro für einen gemeinnützigen Zweck zahlen, die betroffene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft 250 000 Euro.
Laut Staatsanwaltschaft sind die Verhältnisse des Unternehmens in den Bilanzen 1995 bis 1997 und im Börsenprospekt von November 1996 in strafrechtlich relevanter Weise falsch dargestellt worden. Der Wert der Immobilien sei um mehr als zwei Milliarden Mark zu hoch angesetzt worden.
Vor allem aus Gründen der Verjährung sei aber von einer Klage abgesehen worden, erläuterte Oberstaatsanwalt Fred Apostel. Zum einen lägen die Entscheidungen der Beschuldigten, das Immobilienvermögen der Telekom mit einem überhöhten Wert anzusetzen, mehr als zehn Jahre zurück. Manager und Prüfer seien zudem durch die Verfahrensdauer von fünf Jahren belastet worden sowie durch die Tatsache, dass die Vorwürfe öffentlich erörtert worden seien. Schließlich sei in einem zeit- und kostenaufwendigen Strafprozess kein anderes als das jetzige Ergebnis zu erwarten gewesen.
Nach Auffassung der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) mindert diese Entscheidung die Erfolgsaussichten jener mehr als 15 000 Aktionäre, die gegen die Telekom auf Schadenersatz nach dem dritten Börsengang im Jahr 2000 klagen. Die Entscheidung sei für die Kläger »schon ärgerlich«, da es nun kein öffentliches Strafverfahren gebe, in dem mögliche Beweise zugunsten der Kläger hätten zutage gefördert werden können, sagte DSW-Sprecher Jürgen Kurz dieser Zeitung. Die Feststellungen der Bonner Staatsanwaltschaft seien für die Kläger »gar nichts wert«.
Die Schadenersatzklagen beziehen sich auf den dritten Börsengang der Telekom im Juni 2000. Der Bund als Eigentümer hatte damals die Anteile zum Kurs von 66,50 Euro ausgegeben. Heute ist die Telekom-Aktie nicht einmal mehr ein Viertel wert.
In einem Pilotprozess verhandelt das Frankfurter Landgericht seit November 2004 über zehn Fälle. Die nächste Verhandlung ist für den 25. Oktober anberaumt.
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Artikel vom 03.06.2005