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Visa-TV abgeschaltet

Nach roter Gutsherrenart


So einfach geht das: Rot-Grün schleicht sich aus der politischen Verantwortung, blockiert zwar noch eine zugesagte Steuerentlastung, nutzt aber die letzten Tage der Macht, um sich in Visa-Fragen reinzuwaschen.
Klar, dass die Opposition schäumt und klagen will. Der Hoffnungslauf nach Karlsruhe ist jedoch kein Ersatz für die nunmehr verpasste Anhörung weiterer 16 Zeugen. Allein die Absetzung von vielen Stunden »Schily-TV« muss die Opposition schmerzen.
Die scharfe politische Waffe Untersuchungsausschuss ist seit gestern stumpf: Mit der Begründung, die bevorstehenden Neuwahlen ließen dem Gremium keine Zeit mehr zur Vernehmung weiterer Zeugen, hat die rot-grüne Ausschussmehrheit ein letztes Mal eiskalt aufgetrumpft - ganz nach Schröder-Müntefering'scher-Gutsherrenart.
Die Verantwortung für die Erschleichung zehntausender Visa wird nie mehr geklärt. Auch die übrigen Zustände von Tirana bis Taschkent werden kaum noch aufgearbeitet. SPD-Obmann Olaf Scholz vergoss bittere Krokodilstränen: »Natürlich bedauern wir auch, dass die Beweisaufnahme beendet wurde«, sagte er allen Ernstes.
Es geht nicht um taktische Vorteile oder besonders raffinierte Polit-Ränke. Nur Wahrheit und Haftung müssen zählen. Da kann es kein Trost sein, dass die Deutschen Schröder und Fischer sogar ohne Visa-Versagen entzaubert hätten. Reinhard Brockmann

Artikel vom 03.06.2005