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Lehrerverband fordert
neue »Sekundarschule«

Gemeinsamer Unterricht bis zum Ende der sechsten Klasse

Von Reinhard Brockmann
Düsseldorf (WB). Die Zusammenführung der Klassen fünf bis zehn von Hauptschule, Realschule und Gymnasium unter einem Dach zu einer »Allgemeinen Sekundarschule« hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) gestern in Düsseldorf vorgeschlagen.

Während der laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP, die eine »Einheitsschule« ablehnen, legte der eher bürgerliche Lehrerverband ein Gutachten des Dortmunder Bildungsforschers Ernst Rösner vor. Er will die strikte Gliederung aufheben und erst nach Klasse sechs die traditionellen Bildungsgänge in Varianten wohnortnah anbieten. So ließen sich die in Deutschland zu geringen Abiturientenzahlen anheben und das Verschenken von Begabungen verhindern.
In den kommenden 20 Jahren sänken die Schülerzahlen der Klassen fünf bis zehn (Sekundarstufe I) um 20 Prozent, sagte Rösner. Jede zweite Hauptschule in NRW sei schon bis 2015 von Schließung bedroht und der Bedarf an Schülern mit höherwertigen Abschlüssen steige, während die Qualität im internationalen Vergleich stark nachlasse. Auch einzelne Gymnasien und Gesamtschulen verlören in den kommenden Jahren den notwendigen Unterbau für eine funktionierende Oberstufe.
Ein Viertel aller Schüler bleibe mindestens einmal sitzen und 13 000 Schüler verließen jährlich die NRW-Schulen ohne Abschluss. Noch dramatischer sei das Missverhältnis zwischen Auf- und Absteigern beim Schulformwechsel, sagte Rösner: 18 688 mussten 2004 ihre Schule verlassen, nur 1162 schafften den Sprung zum höherwertigen Bildungsgang. Abstufungen und Abschiebungen seien ein »gerne eingesetztes Mittel, um die Schullaufbahn von Kindern im Nachhinein zu korrigieren«, ergänzte VBE-Landschef Udo Beckmann. »Durchlässigkeit ist fast immer eine Rutschbahn und ganz selten ein Aufstieg.« Das Schulsystem sei so angelegt, dass bei allem Bemühen der Lehrerschaft nicht das Fördern, sondern das Aussortieren an erster Stelle stehe.
Die Allgemeine Sekundarschule sei kein einheitliches Standardmodell und damit das Gegenteil einer Einheitsschule, hieß es gestern weiter. Sie basiere auf den Gegebenheiten vor Ort und sei deshalb in unterschiedlichen Varianten möglich. Ein Nebeneinander der bekannten Bildungsgänge unter einem Dach ist für den VBE ebenso denkbar wie die integrierte Form. Entscheidend sei, dass alle Lehrer einer Schule für die Schüler Verantwortung trügen und das Abschieben in andere Systeme nicht möglich sei.

Artikel vom 31.05.2005