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Alarmzeichen: Die Nestwärme fehlt


Zu dem Artikel »Kinder sind doch ein Lebenselexier« ging noch folgende Zuschrift ein:
Zuerst ein Dank an die Redaktion des WESTFALEN-BLATTES über den o. g. Bericht über ein Schandurteil beim AG Frankfurt und die dazu abgegebenen Stimmen, sowie einer Aufforderung an Ihre Leser, sich dazu zu äußern.
In unserem Land, das längst zu den reichsten Ländern gehört, bahnt sich eine Entwicklung an, die jeden denkenden Menschen nur mit Angst und Entsetzen erfüllen kann. Sind es seit langem die alten und pflegebedürftigen Menschen, die nur noch als »Kostenfaktor« und als unzumutbare »Belastung« für die junge Generation gesehen und leider auch entsprechend behandelt werden, sind es in zunehmendem Maße die Kinder, die zum »Störfaktor« erklärt werden in einer Gesellschaft, für die ihre jeweiligen Ansprüche und Bequemlichkeiten vor allem anderem Vorrang haben. Was die Erfüllung der eigenen Wünsche und Bedürfnisse verhindert oder stört, muss unterdrückt oder beseitigt werden oder, wie im genannten Fall, mit richterlicher Hilfe eine Entschädigung (!) erfahren.
Nicht nur der Anspruch des Mieters, auch das Urteil des Richters lassen die Frage aufbrechen, wie lange es noch dauern wird, bis sich wiederholt, was nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 60 Jahren ein für allemal mit »Nie wieder auf deutschem Boden« von den damals Verantwortlichen in Kirche und Staat proklamiert wurde. Welchen Altersgruppen wird in Zukunft in unserer Gesellschaft überhaupt noch eine Daseinsberechtigung mit eigener Lebensgestaltung eingeräumt sein? Werden wir von »richterlichen Maßstäben« abhängig sein, die allein Gültigkeit haben?
Eine zunehmende Zahl sozial auffälliger, häufig schon drogen- und alkoholabhängiger Kinder, ihr Versagen in Schule und im Beruf sind Alarmzeichen, dass ihnen häufig das Wichtigste für eine gesunde und stabile Entwicklung vorenthalten wird: Geborgenheit und Nestwärme, Entfaltungsmöglichkeit eigener Kreatürlichkeit, Vermittlung christlicher und ethischer Werte, zu denen selbstverständlich Rücksicht auf andere gehört. Das bedeutet im Zusammenhang mit dem genannten Fall unter anderem auch, dass Kinder (wie Erwachsene, die das oft vergessen!) bestimmte Ordnungen einhalten und zum Beispiel in Wohnbereichen in der Mittagszeit auf Geschrei und laute Spiele verzichten. Verantwortungsbewusste Eltern weisen zu Hause ihre Kinder darauf hin und achten auf eine Einhaltung.
Wenn dies nicht der Fall ist, kann zunächst ein klärendes Gespräch mit ihnen geführt werden. Wenn dies ohne Erfolg bleibt und Kinder weiterhin bewusst in ihrem falschen Verhalten unterstützt oder ohne Ermahnung durch die Eltern mutwillig Unruhe und Störung verbreiten, muss sicher auch einmal seitens des Vermieters eingegriffen werden. Eine Mietminderung zu verlangen und einzuklagen - leider sogar mit Hilfe eines Richters durchzusetzen -, weil spielende Kinder mit ihrer Fröhlichkeit und Lebendigkeit einen (griesgrämigen?) Mieter stören, ist eine Schande. M. E. auch ein bedenkliches Zeichen dafür, dass wir auf dem besten Weg sind, uns selbst zu zerstören.
Wir können nicht wie am 8. Mai für das Ende des Zweiten Weltkrieges mit einem unbeschreiblichen Ausmaß von Völkermord danken und um bleibenden Frieden in unserem Land bitten, wenn wir durch eine kinderfeindliche Haltung die heranwachsende Generation - die letztlich diesen Frieden miterhalten muss - in Hass und Feindseligkeit gegenüber Erwachsenen und den alten Menschen im eigenen Land treiben.
Dem klagenden Mieter empfehle ich, sich einmal den Kindern in seinem Umfeld zuzuwenden, sich in ihre Fröhlichkeit hineinnehmen zu lassen und sich an ihren Spielen zu erfreuen. Dann wird er erfahren, wie er selbst durch ihre Unbekümmertheit, ihre Zuwendung und ihre oft phantasievollen Anregungen bereichert und erfreut wird.
Ein besonderer Dank an die genannte Wohnungsgesellschaften BGW und Freie Scholle, die sich sehr deutlich gegen das Urteil aussprechen und die in ihren Wohnanlagen dafür sorgen, dass Kindern genügend Spielgelegenheiten zur Verfügung stehen.
M. E. HERINGBielefeld

Artikel vom 01.06.2005