31.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der Superstar passt
in keine Schublade

Mulititalent Clint Eastwood wird heute 75 Jahre alt

Von Thomas Burmeister
New York (dpa). Wortkarger Westernheld, stahlharter Großstadt-Cop »Dirty Harry«, Regisseur, aber auch ein Feingeist, Klavier spielender Jazzliebhaber und Filmkomponist: Das alles ist Clint Eastwood, der heute 75 Jahre alt wird.

Die vielen Talente des immer noch schlanken und sehr sportlichen Superstars passen nicht in eine Schublade. Eines allerdings überragt alle seine Begabungen und Charaktereigenschaften: Der Sohn eines Stahlarbeiters aus San Francisco ist im Herzen ein Rebell. »Das liegt tief in meiner Seele«, sagte er einmal. »Jedes Mal, wenn mir einer erzählt, der Trend geht da und da lang, dann schlage ich die andere Richtung ein.«
So war es auch im vergangenen Jahr. Im Trend der USA lagen eher erzkonservative Kirchenprinzipien. Da löste ausgerechnet Eastwood, der lange als Stütze der Rechten in Hollywood galt, mit seinem »Million Dollar Baby« eine Kontroverse aus. Dass der beliebte Meister nicht nur Regie führte, sondern in der Rolle eines Trainer-Ersatzvaters gar selbst Hand anlegte und seiner querschnittsgelähmten Spitzenboxerin (Hillary Swank) den Sterbewunsch erfüllte, brachte nicht nur christliche Fanatiker gegen ihn auf. Es gab Proteste vor Kinos, während Befürworter der Sterbehilfe versuchten, Hollywoods »Elder Statesman« für sich zu vereinnahmen.
Da half es kaum, dass Eastwood seine Abneigung gegen jedwede Politisierung des Entertainments bekräftigte und erklärte, ihm sei »der politische Aspekt des Films bei den Dreharbeiten nicht einmal in den Sinn gekommen«. Vor allem sei es um »eine große Story über Vater-Tochter-Liebe« gegangen. Ähnlich sah das die US-Filmakademie, die »Million Dollar Baby« mit vier Oscars auszeichnete.
Seinen ersten Oscar bekam Eastwood, dessen Hollywoodkarriere nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium und Gelegenheitsjobs eher schleppend mit etlichen Nebenrollen in B-Movies begonnen hatte, 1993 für den Western »Erbarmungslos«. Damit warf er das Image des selbstsicheren Superschützen, das er den überaus erfolgreichen Italo-Western von Sergio Leone verdankte, endgültig über den Haufen.
In »Erbarmungslos« machte Eastwood mit der Darstellung eines kränkelnden Ex-Killers auch seine Sorge vor einer gnadenlosen Welt deutlich, in der Gewalt nur neue Gewalt hervorbringt. Mit Mord und Totschlag hatte er freilich schon reichlich Erfahrung gesammelt, darunter in der »Dirty Harry«-Reihe. Als Verbrecherjäger Harry Calahan schien er seine 45er Magnum mit ins Bett zu nehmen.
Die Rolle trug zu Eastwoods Ruf als Parteigänger der Rechten bei. Er hatte Harry als unbestechlichen und aufrichtigen Cop gespielt. Und zwar zu einer Zeit, »da man auf Polizisten gern als ÝSchweineÜ herabsah«, wurde Eastwood zitiert. Wie differenziert er mit Verbrechens- und Polizeithemen umgehen kann, bewies der Regisseur 2003 in »Mystic River«.
Vor Versuchen, ihn politisch rechts oder auch links einzuordnen, hat Eastwood mehrfach mit dem Hinweis gewarnt, er sei dafür »zu individuell«. Und allen, die ihn schon zum alten Eisen zählen wollen, machte er kürzlich bei den Oscars klar: »Ich habe noch jede Menge Arbeit vor mir.«

Artikel vom 31.05.2005