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Reifen-Regel bringt
Risiko für Räikkönen

Mercedes-McLaren steht trotz Crashs zur Marschroute

Nürburgring (dpa). McLaren-Mercedes hat im Reifenpoker auf dem Nürburgring alles verloren. Die Schuld am Crash von Silberpfeil-Pilot Kimi Räikkönen beim Großen Preis von Europa wurde jedoch auf die neuen Reifenregeln in der Formel 1 geschoben.
»Räikkönen setzt Ruhm vor Sicherheit. Die Formel 1 machte gestern einen großen Schritt, die Sicherheit der Unterhaltung zu opfern«, kommentierte die angesehene Londoner »Times«.
David Coulthard, neben Weltmeister Michael Schumacher einer der Direktoren der Fahrervertretung GPDA, kritisierte die seit dieser Saison geltende Reifenregel. »Die Regeln sind gut für Überholmanöver und die Unterhaltung der Fans, aber sie sind zu gefährlich«, sagte der Red-Bull-Pilot aus Schottland. »Man verlangt von uns, unser Rennen wegzuwerfen, indem wir noch einmal reinkommen, um die Reifen zu wechseln.«
In Paragraf 74 des Reglements ist festgelegt, dass ein Fahrer nur noch mit einem Reifensatz in der Qualifikation und im Rennen auskommen muss. Nur bei einem Schaden darf ein Pneu gewechselt werden. Ein Auftanken ist verboten. »Das zwingt die Fahrer zu einer möglichen Entscheidung zwischen Leben und Tod, ob ihr gequälter Gummi bis zum Ziel hält«, schrieb der »Daily Mirror«.
»Ganz auf Nummer sicher zu gehen, ist nicht der Weg, der zum Sieg führt«, sagte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug und verteidigte die riskante Entscheidung, den Finnen trotz eines Reifendefektes nicht an die Box zu holen. »Das Risiko war es wert, aber nun haben wir zehn wertvolle Zähler in der Weltmeisterschaft verloren«, meinte Räikkönen. Bei seinem Unfall vier Kilometer vor dem Ziel bei 270 km/h war die rechte Vorderradaufhängung gebrochen. Grund dafür war ein Bremsplatter, der zu heftigen Vibrationen geführt hatte. Beinahe hätte Räikkönen bei seinem Abflug auch noch BAR-Honda-Pilot Jenson Button mitgerissen.
Der Finne und sein Mercedes-McLaren-Team standen vor der Frage, entweder zu versuchen, den Sieg ins Ziel zu retten, oder den Reifen zu wechseln und das Rennen zu verlieren. Zudem hätte das Team eine Strafe durch den Automobil-Weltverband FIA riskiert, da in den Regeln nicht genau definiert wird, wann ein Reifen aus Sicherheitsgründen ausgetauscht werden darf. »Aus unserer Sicht war der Reifen nicht unsicher, und Räikkönen zeigte, dass er mit den Vibrationen umgehen konnte«, sagte Teamchef Ron Dennis. Haug betonte: »Wir gehen kein unnötiges Risiko ein. Diesen Ruf haben wir nicht.«
WM-Spitzenreiter Fernando Alonso (Spanien) war der große Nutznießer und ist dem ersten WM-Titel nach seinem vierten Saisonsieg sehr nahe gekommen. »Wer Weltmeister werden will, muss nicht nur gut sein und ein gutes Auto haben, sondern in manchen Augenblicken auch nur einfach Glück«, meinte die spanische Zeitung »El Mundo«.

Artikel vom 31.05.2005