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Harald Schmidt
zieht nicht mehr

Geringe Quote, mäßige Kritiken

Von Carsten Rave
Hamburg (dpa). So einen roten Teppich hatte die ARD in ihrer mehr als 50-jährigen Geschichte kaum einen Star ausgerollt. Acht Millionen Euro im Jahr, Freiraum für zwei Sendungen pro Woche und die Zusicherung, Harald Schmidt dürfe alles sagen, was er wolle.

Nach acht Jahren Sat1 und einem Jahr »kreativer Pause« sollte der Entertainer das Image der als verstaubt geltenden ARD wieder aufpolieren. Doch nach einem halben Jahr Präsenz fragen sich schon einige Zuschauer, Kritiker und Experten, was denn die mit Pauken und Trompeten begleitete Neuverpflichtung der ARD wirklich gebracht haben könnte.
»Mir ist er ein bisschen langweilig geworden«, sagt der Kabarettist Werner Schneyder. »Das Format ist verbraucht.« Für die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher ist »der Ritualcharakter verloren gegangen«. Man sage nicht mehr »Gute Nacht« mit Harald Schmidt. Er müsse wieder hin zur satirischen Alltagsbeobachtung und weg vom politischen Kabarett.
Auch die Zuschauer scheinen Schmidt den Rücken zu kehren. Zwar kündigte der Entertainer bei seiner Rückkehr zum TV an, mit einer Million Fans pro Ausgabe leben zu können. Doch inzwischen erreicht kaum eine Ausgabe einen zweistelligen Marktanteil. Die letzten sechs lagen unter der Marke von zehn Prozent - allein das Gesicht und die Verbreitung flotter Lästereien reichen zum Imageaufbau nicht. Und was nützt die beste Marke, wenn die Zuschauer umschalten und vielleicht bei Johannes B. Kerner im ZDF landen, der am vergangenen Donnerstag fast zeitgleich mit Schmidt auf gut 19 Prozent Marktanteil kam.
Zum Nachdenken anregen könnte die ARD auch die wirtschaftliche Entwicklung rund um das Aushängeschild, für das die ARD auf den Erwerb der UEFA-Cup-Rechte verzichtete: Die »Best of«-Spots von knapp zwei Minuten Länge im Vorabendprogramm erreichten seit Jahresbeginn bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer laut Media Control nur 4,2 Prozent Marktanteil. Die Tarife mussten bereits um bis zu 40 Prozent gesenkt werden, heißt es von der ARD-Werbetochter Sales & Services. Schmidt passt nicht zwischen Jörg Pilawas Quizshow und dem Kurz-vor-20-Uhr-Block mit Wetter und Börse, schon gar nicht mit den Sprüchen vom Vortag.
Und noch eins dürften ARD und Schmidt zu denken geben: Die gute, alte Satire-Sendung »Scheibenwischer«, die donnerstags eingestreut wird, wenn der Chefzyniker pausiert, erreichte 2005 mit ihren fünf Ausgaben mit 2,21 Millionen Zuschauern im Durchschnitt etwa eine halbe Million mehr als Schmidt. Die Kabarett-Helden der ARD heißen Georg Schramm, Mathias Richling und Bruno Jonas.

Artikel vom 31.05.2005