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Die Urlaubsfilme haben ausgedient

Siegeszug der digitalen Fotografie lässt traditionellen Markt einbrechen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). »Agfa ist nur die Spitze«, glaubt Dirk Böttger. Im vergangenen Jahr seien in Deutschland nur noch 127 Millionen Filme verkauft worden, 18 Prozent weniger als noch 2003, rechnet der Redakteur der Zeitschrift »Photographie« vor. Für ihn steht fest: »Die klassische Filmentwicklung ist am Ende.«

Wie berichtet, stellte die AgfaPhoto GmbH am 20. Mai Insolvenzantrag beim Amtsgericht Köln. Den anderen der Branche gehe es nicht viel besser, weiß Böttger. Kodak habe sich von der Filmsparte und vielen Laboren getrennt. Der Geschäftsbereich Photofinishing sei um 30 Prozent zurückgegangen, räumte der US-Konzern ein. Bis Oktober dieses Jahres will Kodak die Schließung seiner fünf Großlabore in Großbritannien abgewickelt haben.
Photofinishing ist Fachchinesisch für Entwickeln. Wurden im Jahr 2000 noch 5,15 Milliarden Colorbilder gefertigt, waren es im letzten Jahr nur noch 4,65 Milliarden Stück. Um den Verlust aufzufangen, senkten die Filmhersteller die Preise. Dies erklärt, warum das 25-prozentige Umsatzminus von Agfa und Co. in Deutschland noch über dem Verlust bei den verkauften Stückzahlen von 18 Prozent lag. Foto Quelle in Leipzig versucht zur Zeit mit einem »Kennenlern-Angebot« Kunden zu gewinnen. Wer seinen Kleinbild-Film einschickt, zahlt 5 Cent fürs 9 mal 13 Zentimeter große Bild. Hinzu kommen 2,75 Euro Versand- und 3,35 Euro Entwicklungskosten.
Die Situation ist paradox: Es wird immer mehr fotografiert, aber weniger entwickelt. Das Jahr 2004 brachte der Industrie einen Rekordabsatz an Kameras. 8,43 Millionen Stück gingen über die Ladentheken - 83 Prozent, also rund sieben Millionen Stück, waren Digitalkameras. Gegenüber 2003 wuchs ihre Zahl nach Angaben des Photoindustrie-Verbandes in Frankfurt um satte 42 Prozent. Umso kümmerlicher muten die 1,4 Millionen verkauften herkömmlichen Kameras an. Werden weniger klassische Filme benötigt, wächst die Bedeutung digitaler Speicher. Der Absatz der Memory Cards schoss 2004 um 64 Prozent auf neun Millionen Stück hoch.
Damit nicht genug, leiden die Entwickler alter Schule an der Do-it-yourself-Mentalität der Deutschen. 750 Millionen Papierabzüge entstanden an heimischen PCs und Druckern. Die Zahl der verkauften Photodrucker schnellte um 32 Prozent auf 346 000 Stück hoch. »Wir erleben eine dramatische Umstrukturierung des Marktes«, sagte Willy Fischel vom Bundesverband Technik gestern dieser Zeitung: »Es wird immer schwieriger, mit herkömmlichen Fotos und Filmen Geld zu verdienen.« Dieser Markt sei schneller eingebrochen als erwartet.

Artikel vom 31.05.2005