30.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Geschwister überleben Tragödie

Schulden: Vater hinterlässt Abschiedsbrief und sticht auf seine Kinder ein

Von Christian Althoff
Rheda-Wiedenbrück (WB). Familientragödie in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh): Dort hat gestern ein Handwerker versucht, seine beiden vier und sieben Jahre alten Kinder zu erstechen und sich anschließend selbst das Leben zu nehmen. Die Kinder und ihr Vater überlebten schwer verletzt.

Eine moderne, weiß verputzte Doppelhaushälfte am Stadtrand von Wiedenbrück. Hier leben Daniel (36) und Silke B. (34) mit ihren Kindern Leon (7) und Liz (4). »Wir haben die vier immer nur als perfekte Familie gekannt«, erzählen Freunde erschüttert, die Daniel B. als arbeitssamen und liebevollen Familienvater beschreiben: »Als sein Sohn vor Jahren an Leukämie erkrankte und ihm wegen der Chemotherapie die Haare ausfielen, ließ sich der Vater eine Glatze rasieren, damit sich Leon nicht als Außenseiter fühlen musste«, erinnert sich ein Nachbar, der noch am Samstagabend mit Daniel B. auf der Straße gescherzt hatte. »Da deutete nichts auf Probleme hin.« Denn die behielt der selbständige Fußboden- und Parkettverleger für sich. Sein Umfeld ahnte nicht, dass die kleine Firma bis unters Dach verschuldet war und Daniel B. offenbar keine Hoffnung mehr sah, seinen Betrieb zu retten.
Nachdem Silke B. gestern morgen das Haus verlassen hatte, um in einem Café zu arbeiten, setzte ihr Mann Leon und Liz gegen 10.15 Uhr in den Firmenbuli und fuhr mit ihnen zu der Halle, die er ein paar Straßen weiter für seinen Betrieb gemietet hatte. Dort griff er zu einem Messer und versuchte, den schreienden Kindern die Halsschlagadern zu durchtrennen. Bei der Tatwaffe soll es sich um ein Teppichmesser handeln.
Eine Anwohnerin: »Der Junge kam blutüberströmt aus der Halle und lief zur Straße, wo gerade die verspätete Fronleichnamsprozession vorbeigezogen war. Zwei Polen haben sich sofort um den Kleinen gekümmert und einen Notarzt gerufen.« Augenzeugen berichteten, dass Polizisten wenig später mit gezogenen Pistolen auf das Firmengelände gelaufen seien: »Da kam der blutende Vater mit seiner verletzten Tochter auf den Armen aus der Halle und ergab sich.«
Notärzte und Sanitäter kümmerten sich sofort um die schwerverletzten Kinder und den Täter. Zurückgelassene Kompressen, Infusionsflaschen und Wundtücher lagen noch Stunden später auf dem Firmenhof - stumme Zeugen der Rettungsaktion. Die Kinder liegen jetzt mit Stich- und Schnitwunden im Krankenhaus Rheda. Ihr festgenommener Vater wird in einem Gütersloher Hospital unter Polizeibewachung versorgt.
Silke B. erfuhr an ihrer Arbeitsstelle von der Tragödie und erlitt einen Schock. Im Haus der Familie wurde später ein Abschiedsbrief entdeckt, den Daniel B. seiner Frau hinterlassen hatte. Darin hatte er die aus seiner Sicht aussichtslose finanzielle Lage geschildert und Anweisungen etwa zum Verkauf der Firmenwagen niedergeschrieben. Die Kripo geht davon aus, dass der Handwerker einen so genannten erweiterten Suizid geplant hatte. »Er wollte die Kinder möglicherweise mit in den Tod nehmen, um ihnen eine unsichere Zukunft zu ersparen«, sagte ein Beamter.
Daniel B. soll heute zum ersten Mal vernommen werden.

Artikel vom 30.05.2005