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Leica steht vor ungewisser Zukunft

Hessisches Traditionsunternehmen braucht frisches Geld - Aktionäre machen Verlust

Solms (dpa/lhe). Die Leica umgibt ein Flair aus Tradition, technischer Präzision und Langlebigkeit. Doch die treue Fangemeinde bröckelt seit Jahren - vor allem, weil der Kamerahersteller aus dem mittelhessischen Solms den Trend zur Digitalfotografie verschlafen hat.
Ein Leica-Reklamefoto von 1939: Schon damals genossen die Kameras Weltruf. Foto: teutopress

Die Zukunft der Leica Camera AG steht auf der Kippe, die Firma steckt in der tiefsten wirtschaftlichen Krise seit dem Börsengang 1996. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung wollen Vorstand und Aufsichtsrat morgen ein Rettungspaket vorschlagen, das einen massiven Wertverlust für die Aktionäre bedeutet. »Aber sonst droht der Totalverlust«, warnt Leica-Sprecher Gero Furchheim.
Das Traditionsunternehmen bot zuletzt ein trübes Bild. Im Geschäftsjahr 2004/2005 (31. März) sind Verluste von 15,5 Millionen Euro aufgelaufen. Die Umsätze sind rückläufig und nähern sich der Marke von 100 Millionen Euro. Die Banken kündigten teilweise Kreditlinien, trotz langer Verhandlungen sind die sechs Geldgeber nur zu einer Überbrückungsfinanzierung bis Mitte Juni bereit.
Zum finanziellen Überleben will sich die verlustreiche Firma frisches Kapital besorgen. Nach einer Kapitalherabsetzung sollen 13,5 Millionen neue Aktien ausgegeben werden. Um einen Großteil der Verluste auszugleichen und die Restrukturierung zu finanzieren, soll das Aktienkapital um 10 Millionen Euro auf 1,5 Millionen Euro herabgesetzt werden. Jeweils drei Stückaktien sollen zu einer Stückaktie zusammengelegt werden. Zudem will das Unternehmen eine Rücklage in Höhe von 4,2 Millionen Euro auflösen. Nach der Kapitalherabsetzung soll das Grundkapital durch die Ausgabe neuer Aktien auf bis zu 15 Millionen Euro erhöht werden. Die neuen Aktien sollen zu 1,70 Euro ausgegeben werden.
Klaus Nieding, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sieht die geplanten Maßnahmen kritisch. »Nur immer wieder frisches Geld ins Unternehmen zu pumpen, hilft nichts - man muss die strukturellen Probleme in den Griff kriegen.« Leica müsse sich entweder als kleine Manufaktur begreifen und mit weniger Mitarbeitern komplett in Handarbeit fertigen oder richtig große Stückzahlen produzieren: »Im Moment ist es weder Fisch noch Fleisch, das Unternehmen braucht aber eine klare Struktur.«
Die Refinanzierung sei »ohne Alternative«, betont Furchheim. Vertreter der beiden Großaktionäre Hermès und Austrian Capital Management, die zusammen knapp 60 Prozent halten, hätten dem Konzept im Aufsichtsrat zugestimmt.
Es ist nicht die erste Sanierungsrunde bei Leica, der Aktienkurs sinkt seit Jahren kontinuierlich. Allein in den vergangenen vier Jahren hat der Kamera- und Ferngläserhersteller etwa 400 Stellen abgebaut. 1050 Beschäftigte arbeiten derzeit weltweit für das Unternehmen, 415 davon in Solms. Die handgefertigten Apparate werden außer in Mittelhessen auch in Portugal produziert.
Mit der handlichen »Ur-Leica« - 1925 auf der Leipziger Frühjahrsmesse vorgestellt - eroberte der Schnappschuss die Fotografie. Die Leica, eine Abkürzung für Leitz Camera, avancierte prompt zum Verkaufsschlager. Dass man mit dem weltweit bekannten Markennamen im Moment kein Geld verdienen könne, sagt Betriebsrat Zimmermann, das wolle vielen Mitarbeitern nicht in den Kopf.

Artikel vom 30.05.2005