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Offener Streit
zwischen SPD und Grünen

Müntefering um Schlichtung bemüht

Berlin (dpa). Der Koalitionsstreit über den Weg zur geplanten Neuwahl und die Zukunftschancen von Rot-Grün hat sich verschärft. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und SPD-Chef Franz Müntefering beendeten am Wochenende nach heftiger Ablehnung durch die Grünen Spekulationen über eine Grundgesetzänderung.

Die Grünen versicherten aber, sie planten keinen Rückzug ihrer drei Minister aus dem Kabinett. Seine Partei lehne einen »Ausstieg aus der Koalition ausdrücklich ab, sagte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Zugleich wiesen die Grünen SPD-Pläne zurück, nach denen sie dem Kanzler im Zusammenhang mit der geplanten Unternehmenssteuerreform das Misstrauen aussprechen sollten.
Trotz des Krachs in der Koalition wollen die Grünen zusammen mit der SPD einen Weg für eine vorgezogene Bundestagswahl finden. »Wir spielen kein Schwarze-Peter-Spiel«, sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth gestern nach einem Strategietreffen der Parteiführung in Berlin. »Wir finden gemeinsam einen Weg zu Neuwahlen.« Sie zeigte sich überzeugt, dass es ein geordnetes Verfahren für die Auflösung des Bundestags geben wird. Mit der SPD strebe man eine Entscheidung bis Ende kommender Woche an.
Die Absetzbewegungen bei Rot-Grün nahmen dennoch weiter zu. Der Chef der rheinland-pfälzischen SPD-FDP-Koalition, Kurt Beck, sagte, er bedauere, dass »unter den gegebenen Umständen« eine andere Konstellation als Rot-Grün im Bund für die SPD kaum eine Chance habe. Der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel warf den Grünen vor, die SPD an der Schaffung von Arbeitsplätzen gehindert zu haben.
Der Grünen-Fraktionschef im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, meinte: »Mit dieser SPD können die Grünen gar nicht koalieren. Wir stehen jetzt in der Opposition, weil sich die SPD von einer gemeinsamen Politik verabschiedet hat.«
Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wandte sich gegen den Begriff »rot-grünes Projekt« und nannte die Koalition »ein Bündnis auf Zeit«. SPD-Chef Franz Müntefering setzte hingegen auf Schadensbegrenzung: »Die rot-grüne Koalition hat sich bewährt.« Eine eigenständige Positionierung von SPD und Grünen vergrößere aber das Wählerspektrum. Es sei besser, »als wenn man sich als Bindestrichveranstaltung darstellt«.
Offen ist weiter, über welchen Weg der Kanzler eine Neuwahl ermöglichen will. »Es gibt keine Überlegungen des Kanzlers zu einer Verfassungsänderung«, sagte eine Regierungssprecherin und wies damit Äußerungen von SPD-Fraktionsvize Michael Müller zurück.
Eine Koppelung der Vertrauensfrage mit der Abstimmung über die Unternehmenssteuern wollen die Grünen nicht mittragen. Verbraucherministerin Renate Künast betonte: »Wenn die SPD die Neuwahl will, muss die SPD sie organisieren.« SPD-Fraktionsvize Joachim Poß hatte gesagt, nachdem die Grünen das Projekt nicht mehr mittragen wollten, habe der Kanzler für »diese unverzichtbare Reform« keine eigene Mehrheit. Dies biete Schröder einen triftigen Grund für die Vertrauensfrage. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 30.05.2005