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Aufstand der Nummer zwei

Rubens Barrichello stört Ferraris Frieden

Nürburgring (dpa). Die ewige Nummer zwei probt den Aufstand und schadet sich selbst am meisten.
Rubens Barrichello hat mit seinen Attacken gegen das Team und seinen Kollegen Michael Schumacher den heiligen Frieden beim kriselnden Ferrari-Rennstall gestört. Dem Brasilianer, der seit 2000 im Schatten des Formel-1-Weltmeisters sein Dasein fristet, droht am Ende der Saison der Bannstrahl der Scuderia.
Immerhin sorgte er mit seinem dritten Platz beim Großen Preis von Europa auf dem Nürburgring für bessere Stimmung. »Die Jungs im Team haben fantastische Arbeit geleistet. Der Wagen war zuverlässig, der Motor stark und die Reifen hervorragend«, lobte Barrichello. »Wir waren lange nicht mehr auf dem Podium und hatten eine schwierige Zeit. Ich denke, dass Ferrari von nun an sehr stark sein wird.«
Trotz der versöhnlichen Töne spekulieren italienische Medien längst darüber, dass der 33-Jährige trotz laufenden Vertrages bis 2006 schon im kommenden Jahr von seinem neun Jahre jüngeren Landsmann Felipe Massa ersetzt wird. Der Sauber-Pilot, der seine Lehrjahre bei Ferrari als Testfahrer absolvierte, wird von Nicolas Todt gemanagt - dem Sohn von Ferrari-Generaldirektor Jean.
Seine Position im Team hatte Barrichello vor dem Rennen in der Eifel mit seiner Kritik an Schumacher geschwächt. Er war sauer, dass ihn der Kerpener eine Woche zuvor beim Grand Prix von Monaco kurz vor dem Ziel überholt hatte. »In der Zukunft betrachte ich Michael nicht mehr als meinen Teamkollegen, sondern als Piloten wie jeden anderen auch«, sagte er. Ferraris Technischer Direktor Ross Brawn bezeichnete den Streit als »Sturm im Wasserglas«.
Vor dem Rennen in Monte Carlo hatte Barrichello bereits die Arbeit von Ferrari angegriffen: »Es sind nicht nur die Reifen. Es fehlt von allen etwas. Wir sind nicht schnell, wir sind nicht konstant, wir müssen über uns selbst nachdenken und eine Lösung finden.« Im April in Malaysia hatte Reifenhersteller Bridgestone als erster sein Fett abbekommen. Es mache keinen Sinn, am Auto zu arbeiten, »wenn nicht auch die Reifen entwickelt werden«, so Barrichello.
Über die Gründe für seine verbalen Angriffe wird gerätselt. Hat ihm die Teamleitung schon signalisiert, dass er gehen kann? Verliert er nach fünf Jahren in Schumachers (Wind-)Schatten die Nerven? Oder will der Störenfried seinen Rausschmiss provozieren?
Barrichello hat als zweiter Fahrer neben Schumacher den schwierigsten Job der Formel 1. Niemand hat die erdrückende Dominanz des Deutschen länger ertragen als er. Selbst Demütigungen wie im Mai 2002, als er Schumacher den Sieg in Österreich auf Anweisung von Todt schenken musste, nahm er klaglos hin. »Er geht damit auf bewundernswerte Weise um«, sagte Brawn damals.

Artikel vom 30.05.2005