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Schröder schwört die Partei ein

Gysi und Lafontaine wollen am Montag über neue Linkspartei beraten

Berlin (dpa/Reuters). Bundeskanzler Gerhard Schröder und Parteichef Franz Müntefering haben die SPD auf ihren Neuwahl-Kurs eingeschworen. Vom SPD-Vorstand und der Bundestagsfraktion bekamen beide am Mittwoch nach zum Teil hitzigen Debatten breiten Rückhalt für eine vorzeitige Auflösung des Parlaments.
Am Abend wurd bekannt, dass der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels, Ottmar Schreiner, in der SPD bleibt und im Herbst will bei der Bundestagswahl erneut kandidieren will. »Ich habe mich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, dem Drängen vieler meiner Parteifreunde nachzukommen«, sagte Schreiner nach einer Landesvorstandssitzung der Saar-SPD in Saarbrücken.
92 Prozent der Deutschen geben der SPD allerdings nur geringe oder gar keine Chancen, die geplante Bundestagswahl im September zu gewinnen. 69 Prozent sahen nach einer Umfrage des Ipsos-Instituts geringe Chancen, 23 Prozent sagten, die SPD hätte »gar keine Chance«. Nur sechs Prozent stuften die Chance auf einen SPD-Wahlsieg als »eher groß« ein, berichtet die »Financial Times Deutschland«.
Schröder und Müntefering lehnten im SPD-Vorstand und der Bundestagsfraktion Forderungen von Parteilinken nach nach einer grundlegenden Kursänderung kompromisslos ab, stellten jedoch mit Blick auf die Wahl Verbesserungen bei der Arbeitsmarktreform in Aussicht. Schröder betonte, er könne nur glaubwürdig in den Wahlkampf gehen, wenn seine Reform-»Agenda 2010« ein zentraler Bestandteil des Wahlprogramms sei.
Vor der Fraktion gab sich der Kanzler betont kämpferisch. Er sei entschlossen, zusammen mit Müntefering die SPD bei der Wahl im Herbst wieder zur stärksten Partei zu machen. Er werde sich dabei auch persönlich nicht schonen. Schröder beendete unter großem Beifall seine Rede mit den Worten: »Ich weiß genau, was ich der Partei schuldig bin. Und ich werde ihr nichts schuldig bleiben.«
Müntefering hatte zuvor den Vorstoß für eine vorgezogene Bundestagswahl mit der völligen Übermacht der Unionsländer im Bundesrat begründet. Nach der Wahlniederlage in NRW sei angesichts der neuen Stimmverhältnisse in der Länderkammer »verantwortliches Regierungshandeln« im Bund nicht mehr möglich.
Das Stimmenverhältnis im Bundesrat liege nun bei 18 zu 51 zulasten von Rot-Grün. Im Vermittlungsausschuss stünden 14 rot-grüne Stimmen gegen 18 der Union. Die Koalition habe keine Geschäftsordnungsmehrheit. »Wir müssen den Richtungsstreit führen, wie es in Deutschland weitergehen soll«, habe Müntefering gesagt.
Die SPD setzt auch ohne Koalitionsaussage auf eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition nach der für den Herbst geplanten Bundestagswahl. »Es wird sicher auf eine Konstellation hinauslaufen wie jetzt auch, wenn die Wähler uns die nötige Stimmenzahl geben«, sagte Müntefering weiter.
Unterdessen stößt die schnelle Bildung einer Linkspartei aus PDS und der SPD-Abspaltung Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) unter möglicher Beteiligung des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine aus rechtlichen Gründen auf Skepsis. Der PDS-Politiker Gregor Gysi nannte ein Zusammengehen seiner Partei mit der WASG bis zur Bundestagswahl wegen der Kürze der Zeit unrealistisch. Lafontaine, der am Vortag seine Mitgliedschaft in der SPD aufgekündigt hatte, hat einem Linksbündnis aus PDS und WASG seine Unterstützung zugesagt. Lafontaine und Gysi werden am Montag über eine neue Linkspartei beraten.S. 4: Kommentar

Artikel vom 26.05.2005