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Das Scheitern der Champions

French Open: Zahn der Zeit nagt an Andre Agassi und Gustavo Kuerten

Paris (dpa). Es war ein Bild des Jammers, als die gescheiterten Champions Paris vielleicht für immer verließen.

Andre Agassi vergrub das schmerzverzerrte Gesicht in seinem Handtuch, weil ihn ein entzündeter Ischias-Nerv peinigte. Gustavo Kuerten schlich mit leerem Blick vom Platz. Nach seiner zweiten Hüftoperation im September vergangenen Jahres war der dreimalige French-Open-Sieger nur noch im Kopf bereit für sein Lieblingsturnier. Der Körper spielte nicht mit.
Agassi ist der älteste Spieler auf der Tour. In dem quälenden Fünf-Satz-Match gegen den Finnen Jarkko Nieminen (5:7, 6:4, 7:6, 1:6, 0:6), an dessen Ende er trotz Schmerztabletten kaum mehr gehen, stehen oder sitzen konnte, muss er jedes seiner 35 Lebensjahre gespürt haben. Aber der Grand-Slam-Rekordhalter (58 Turniere seit 1986) hat noch nie ein großes Match aufgegeben und in der Stadt, in der er 1999 als fünfter Tennis-Profi nach Don Budge, Rod Laver, Fred Perry und Roy Emerson seine Grand-Slam-Sammlung komplettierte, tat er es erst recht nicht.
Für Mats Wilander zeigte sich darin die Klasse des achtmaligen Grand-Slam-Siegers. »Andre will immer gewinnen. Aber er will vor allem den Platz immer mit Würde verlassen«, sagte der dreimalige French-Open-Sieger (1982, 1985, 1988). Wilander ist einer der wenigen, die an Agassis Rückkehr an die Seine glauben. »Das war nicht der Abgang von einem, der Abschied nimmt«, meinte der Schwede.
Agassi vertraut auf die Wunder der Medizin, damit er zumindest die Saison noch zu Ende spielen kann. »Ich bin wohl an dem Punkt, wo ich ohne diese Dinge nicht mehr auskomme«, bekannte er. Anfang des Jahres ließ er sich eine Kortison-Spritze in den Rücken geben. Diese Tortur will er nun wieder über sich ergehen lassen. »Ich habe die Absicht, in Wimbledon zu spielen«, sagte Agassi und beteuerte einmal mehr, dass es keinen Plan für sein Karriereende gibt.
Seine Frau Steffi Graf hatte vor zwei Wochen bestätigt, dass der Familienrat kein bestimmtes Datum für einen Rücktritt festgelegt hat. »Ich weiß es nicht. Er weiß es nicht. Er wird bestimmt nicht sagen: Okay, in einem Jahr höre ich auf. Er ist auch jemand, der nach seinem Gefühl geht«, sagte die 22-malige Grand-Slam-Siegerin, die sich bei ihrem letzten Titelgewinn 1999 während der French Open in Agassi verliebt hatte.
Die Stadt der Liebe wird auch für Gustavo Kuerten immer ein magischer Ort bleiben. Der Publikumsliebling hat 1997, 2000 und 2001 das Turnier in Paris gewonnen und beim dritten Sieg mit seinem Schläger Herzen in den roten Sand gemalt. Die Pariser vergöttern ihren »Guga« deswegen noch immer. Doch obwohl sieben Jahre jünger als Agassi, forderte auch Kuertens geschundener Körper bei der 3:6, 0:6, 6:4, 1:6-Niederlage gegen den Spanier David Ferrer seinen Tribut. In der ersten Runde hatte der Brasilianer zuvor nur bei seinem Debüt in Paris 1996 verloren. Und so ließ er offen, ob es ein Wiedersehen geben wird: »Ich werde in sechs Monaten entscheiden, ob ich meine Karriere fortsetze.«

Artikel vom 26.05.2005