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Der mit dem Sand spielt

Nur Roger Federer ist 2005 besser als der Spanier Rafael Nadal

Von Oliver Kreth
Paris/Halle (WB). Die jüngsten Erfolge von Rafael Nadal haben die spanische Presse so sehr beeindruckt, dass der Youngster von Mallorca sogar die Fußball-Hochkaräter »Barca« und Real Madrid von den Titelseiten der Gazetten verdrängte.

Der Mallorquiner feiert während des Turniers in Roland Garros seinen 19. Geburtstag und startet als einer der Favoriten auf den Turniersieg. Nadal hat sich mittlerweile fest in den Top Ten positioniert und die letzten drei Turniere in Monte Carlo, Barcelona und Rom gewonnen. Dabei blieb er die letzten siebzehn Spiele ungeschlagen. Nur der Weltranglisten-Erste Roger Federer ist bisher in diesem Jahr noch besser als der Rechtshänder, der mit links spielt. Im Sandplatz-Ranking liegt er vor Namen wie Gaston Gaudio oder Guillermo Coria.
»Nie im Leben hätte ich an so eine gute Platzierung geglaubt«, verriet er dem TV-Sender Eurosport. »Ich wollte unter die besten 20, und jetzt werde ich sicher unter die besten Fünf kommen. Das ist unglaublich, ich bin wirklich glücklich.«
Und im Hinblick auf die French Open gab sich der Spanier im Interview mit dem Sportmagazin »Marca« locker: »Es wird mir viel Spaß machen. Wenn ich ins Finale komme, um so besser, wenn nicht, ist das auch keine Tragödie.«
Die Erfolge der letzten Wochen sind jedoch trotzdem nicht spurlos an Nadal vorüber gegangen. Die hohen Erwartungen lasten schwer auf seinen Schultern. Rafael Nadal will sich aber nicht unter Druck setzen lassen. Er hat, wie er sagt, genug Zeit um Titel zu gewinnen.
Und so sieht sich Nadal nicht in der Favoritenrolle: »Favorit ist derjenige, der während des Turniers das beste Tennis spielt. Alles was ich will, ist dort hinfahren und ein paar Matches gewinnen. 128 Spieler gehen an den Start und alle werden ihr Bestes geben. Ich bin nur einer von ihnen. Sollte ich nicht gewinnen, werde ich irgendwann andere Chancen bekommen.«
Trotz des von Außen an ihn herangetragenen Drucks argumentiert er in eine Richtung. Solange er Spaß am Tennisspielen hat, wird sich der Erfolg schon von selbst einstellen. »Das wichtigste ist, man selbst zu bleiben und sich jeden Tag weiterzuentwickeln. Dabei muss man auf dem Boden zu bleiben und nicht darüber nachdenken, mit wem man denn nun wieder verglichen wird.«
Für die Bodenhaftung und extreme Professionalität ist sein Onkel Miquel verantwortlich, der schon dem ganz jungen Rafael erklärte, dass der Erfolg von gestern gar nichts zählt. Miquel Angel ist auch unbewusst dafür »haftbar« zu machen, dass der Junge aus Manacor nicht Fußball spielt. Rafael Nadal: »Ich wollte nicht dauernd mit ihm verglichen werden.« Schließlich war der spanischer Nationalspieler in Diensten des FC Barcelona.
Überhaupt ist die Erfolgsgeschichte des spanischen Tennis-Wunderkindes eine Familienaffäre. Denn neben Onkel Miquel hat auch Onkel Toni Einfluss auf den rasanten Aufstieg. Der erkannte früh, dass neben der Flucht aus dem Vergleich vor allem die Unabhängigkeit von den Leistungen Anderer seinen Neffen interessierte. Rafael Nadal: »Ich bin ein starker Solist, ein Einzelkämpfer.« Der für einen 19-Jährigen eine erstaunliche Physis aufzuweisen hat: »Ich bin in prächtiger Verfassung. Das ist ein Produkt des Wintertrainings. Deshalb kann ich jetzt in jedes Match gehen mit dem Gefühl, dass ich keine körperlichen Probleme habe, vier, fünf Stunden mit voller Power durchhalten zu können. Das macht einen gelassen auf dem Platz.«
Angst - wie schon bei vielen anderen Wunderkindern zuvor - zu früh zu verglühen hat er nicht. Anders als volle Power spielen kann er auch nicht, denn »ich gebe 1000 Prozent Einsatz, keine Kompromisse. Das ist meine Art. Ich denke nicht darüber nach, ob ich in ein paar Jahren müde sein werde.« Schließlich gönnt er sich auch Auszeiten. Ein Mallorquiner, der nicht auf Partys - das wäre wirklich ein Wunder. . .

Artikel vom 02.06.2005