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1994 als »Troika« gemeinsam im Wahlkampf: Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und der damalige Kanzlerkandidat Rudolf Scharping.

»Oskar sei ehrlich: Geh!«

Noch einmal bringt der Ex-Parteivorsitzende die SPD in Bedrängnis

Berlin (dpa). Mehr als einmal hat Oskar Lafontaine die SPD in Bedrängnis gebracht. Sein Abgang mit der Ankündigung, ein Linksbündnis von PDS und Wahlalternative zu unterstützen, schlägt noch einmal hohe Wellen.
Der Kanzler fühlte sich nicht kompetent. Er »als einfaches Parteimitglied« könne keine öffentlichen Ratschläge geben, wie mit einem »anderen einfachen Parteimitglied« umzugehen sei, spielte Gerhard Schröder den Vorgang herunter. Gemeint war sein einstiger politischer Weggefährte Oskar Lafontaine, der sich, wie angekündigt, nach der NRW-Wahl mit einem Interview-Sperrfeuer wieder kräftig in Szene setzte.
In der »Bild«-Zeitung ließ der frühere Parteivorsitzende zunächst verkünden, er könne sich vorstellen, bei einer Links-Partei aus PDS und der gerade an Rhein und Weser gescheiterten »Wahlalternative« (WASG) im Bundestagswahlkampf mitzumachen. Später legte er noch einmal nach und gab zu verstehen, er betrachte seine »formelle Mitgliedschaft« in der SPD nach 39 Jahren als erledigt.
Im Magazin »Cicero« gab er parallel dazu am gleichen Tag etwas anders lautende Signale ab: »Ich will kein Amt. Ich will durchaus aber für meine Politik kämpfen, auch in der SPD«, ließ er dort wissen. Dies setze aber eine Politikwende in der SPD voraus. Und dort bedauerte Lafontaine im Blick auf 1998: »Es war ein Fehler, Gerd Schröder die Kanzler-Kandidatur zu überlassen. Das weiß ich heute, aber im Nachhinein sind solche Erkenntnisse nichts wert.«
Eine linke »Sammlungsbewegung« nach dem Vorbild des italienischen »Olivenbaums«, in dem ein breiter Bogen von ehemaligen Christdemokraten bis hin zu Kommunisten geschlossen wurde, hält Lafontaine auch in Deutschland für möglich. Dort kann er sich neben Gregor Gysi von der PDS auf CDU-Seite auch seine Dauer-Mitstreiter in Fernseh-Talkshows, Helmut Kohls frühere Minister Heiner Geißler und Norbert Blüm, vorstellen: »Ich tue mich mit allen zusammen, die gegen die Heuschrecken kämpfen, die den deutschen Sozialstaat vertilgen«, warb er um Bündnispartner.
Zwischen den Interview-Zeilen vermied der Polit-Rentner von der Saar zunächst allerdings weiter die glasklare Festlegung, ob er tatsächlich zum Sprung bereit sei.
SPD-Generalsekretär Klaus-Uwe Benneter wurde deutlich: »Oskar, hör auf der SPD zu schaden! Oskar sei ehrlich: Geh jetzt!«, rief er dem früheren Parteichef gestern immerhin noch im Genossen-Du per Presseerklärung zu. Einen schärferen Ton schlug die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth an: Lafontaine betätige sich als »Steigbügelhalter für den eiskalten Neoliberalismus« von Union und FDP.
Erst gestern Nachmittag gab Lafontaine dann dem ZDF die endgültige Bestätigung. Sein Parteibuch habe er zwar noch nicht zurückgeschickt, das sei aber nur noch ein »formaler Akt«. Er ziehe damit die Konsequenz aus den Hartz-IV-Gesetzen.
Eine Sorge hat Lafontaine SPD-Chef Franz Müntefering damit immerhin genommen: Ein Parteiausschlussverfahren ist nun nicht mehr notwendig. Diesen Schritt hatte Müntefering bislang vermeiden, um Lafontaine nicht die erhoffte Märtyrer-Rolle zu geben.
Trotzdem fühlt sich die SPD-Spitze aufgeschreckt durch die Planspiele für eine gemeinsame Liste von PDS im Osten und WASG im Westen. Der seien allerdings schon durch das Wahlrecht und den Termin enge Grenzen gesetzt, räumt PDS-Chef Lothar Bisky ein.
Ob Lafontaine tatsächlich eine neue politische Heimat findet, steht allerdings noch dahin. Der PDS-Vorsitzender Lothar Bisky sagte, seine Partei sei »gesprächsbereit«, was ein Linksbündnis mit der WSAG betreffe. Allerdings setzten Wahlrecht und Termin enge Grenzen. Es sei seit langem seine Auffassung, »dass sich die Linke in Deutschland strategisch neu aufstellen muss«. In der PDS gibt es zum Teil allerdings Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit der WASG, weil dort auch Mitglieder ehemaliger maoistisch orientierter »K-Gruppen« mitarbeiten.
Zum politischen Schwergewicht dürfte sich eine vereinte Linke ohnehin kaum mausern: Die von Gewerkschaftern und einigen ehemaligen SPD-Mitgliedern gegründete WASG hatte bei der Landtagswahl am Sonntag 2,2 Prozent der Stimmen erhalten. Die PDS ist seit der Bundestagswahl 2002 nur noch mit zwei Abgeordneten im Parlament vertreten.

Artikel vom 25.05.2005