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Einen Teil der Würde retten

Auschwitz-Ausstellung gestern in Berlin eröffnet

Berlin (dpa). Im Centrum Judaicum ist gestern die Ausstellung »Kunst in Auschwitz 1940 - 1945« eröffnet worden. Redner waren Bundeskanzler Gerhard Schröder und der polnische Botschafter Andrzej Byrt.
Blick in die Ausstellung »Kunst in Auschwitz 1940 - 1945« im Centrum Judaicum.Foto: dpa

Der Bundeskanzler hat die geretteten Arbeiten von Künstlern im Vernichtungslager Auschwitz als »bewegende Zeugnisse des Widerstands« gewürdigt. Sie seien ein Zeugnis ungebrochener Menschenwürde sowie des Überlebenswillens und Freiheitswunsches, sagte Schröder gestern. Es ist die erste reine Kunstausstellung in Deutschland, die 140 Bilder von KZ-Häftlingen zeigt. Die Künstler fertigten die Werke während ihrer Lagerzeit legal oder illegal an.
Schröder erinnerte daran, dass die Nationalsozialisten zahlreiche Künstler, darunter hochangesehene Maler oder Bildhauer, aus vielen europäischen Ländern deportiert hätten, »deren Biografien jeden von uns heute mit Scham erfüllen«. Mit der Ausstellung ihrer Kunstwerke »würdigen wir Künstler, die ihren festen Anteil haben an dieser heutigen Werteordnung, das bleibt ihr Verdienst über alle Zeiten hinweg«.
Der polnische Botschafter Andrzej Byrt sprach von einer ungewöhnlichen Ausstellung, die Zeugnis davon ablege, wie auch der erniedrigte Mensch in der Kunst Zuflucht und Kraft zum Überleben finden könne.
Die illustrierten Briefe, idyllischen Landschaften, Akt-, Jagd- und Ernteszenen, Bilder vom Aufbau der Lagerhallen und Industriewerke und vor allem die Porträts, ob in Öl, als Bleistiftzeichnungen oder Aquarelle von polnischen Künstlern, Kunststudenten und Hobbymalern unter den KZ-Häftlingen verfehlen nicht ihre Wirkung. Der Betrachter muss sich nur einen Augenblick in Erinnerung rufen, unter welchen Umständen die oft lebensfrohen oder romantischen, dann wieder auch erschütternden Bilder aus dem Lageralltag entstanden sind. Sie sind der verzweifelte Versuch vieler Häftlinge, einen winzigen Teil ihrer Würde zu retten.
Die gezeigten Kunstwerke, die vom Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau zur Verfügung gestellt wurden, sind eindringliche Zeugnisse menschlicher Verrohung unvorstellbaren Ausmaßes - Auschwitz wurde zum Synonym für den Massenmord an den Juden Europas -, aber auch selbständige ästhetische Kunstwerke. Die Arbeiten sollen auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten von Auschwitz künden. Die Schau ist bis zum 14. August zu sehen, dann im Felix-Nussbaum-Haus in Osnabrück vom 4. September an.

Artikel vom 25.05.2005