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Propaganda der »RAF« entlarvt

Dokumentation über Stammheim

ARD, 23.30 Uhr: Sympathisanten der »Rote Armee Fraktion« (RAF) waren davon überzeugt: Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wurden in Stammheim isoliert und gefoltert. Die Dokumentation »Folter in Stammheim?« schildert »Die Propaganda der RAF«.

Vor 30 Jahren, am 21. Mai 1975, begann in Stammheim der Prozess gegen die Terroristen, deren Verbrechen die Bundesrepublik erschütterten. Die Dokumentation will aufräumen mit dem »Mythos«, dass der Staat bei den Untersuchungshäftlingen illegitime Härte zeigte, und schildert, dass diese vom Gefängnis aus Verbindung nach außen hatten. Wenig Platz bleibt in den 45 Minuten für die Geschichte der »RAF«: die Geiselnahme in der Botschaft von Stockholm, die Ermordung Hanns-Martin Schleyers und die Entführung der Lufthansa-Maschine »Landshut« werden nur kurz gestreift.
Zu Wort kommen Zeitzeugen wie Claus Peymann und Hans-Christian Ströbele, Angehörige von »RAF«-Opfern, denen das Leid von damals noch anzumerken ist, und mit Karl-Heinz Dellwo auch ein Ex-Terrorist. Bundesinnenminister Otto Schily, seinerzeit einer der »RAF«-Anwälte, stand für Interviews nicht zur Verfügung. Besonders prägnant sind die Aussagen derer, die in Stammheim hautnah dabei waren, wie der Seelsorger Hans-Peter Rieder und der Vollzugsbeamte Horst Bubeck.
Der Film zeigt, dass die Untersuchungshäftlinge nicht in Isolationshaft saßen, sondern täglich erst vier, später acht Stunden lang die Möglichkeit hatten, auf dem Flur Kontakt aufzunehmen. Außerdem durften sie jeden Tag eine halbe Stunde allein duschen, während es den anderen Häftlingen nur einmal in der Woche gruppenweise erlaubt war. In den Zellen hatten sie Hunderte von Büchern und Zugang zu 16 Tageszeitungen. Die Terroristen bekamen Bohnenkaffee, Salami und sogar Erdbeeren im Winter - Isolation und geistige Folter sähen anders aus, ist die Aussage des Films. Dass in Stammheim Häftlinge zu Unrecht abgehört wurden, verschweigen die Autoren nicht.
Der Besuch des betagten Philosophen Jean-Paul Sartre sei der »größte Propaganda-Coup« der »RAF« gewesen. Dieser habe aber den tristen Besucherraum mit einer Zelle verwechselt, als er öffentlich die Haftbedingungen der Terroristen beschrieb. Auf die Frage, warum der Staat nicht den Medien Zugang zu Stammheim gewährt hat und so etwaige »RAF«-Propaganda verhinderte, wissen die Autoren Annette Baumeister und Florian Hartung keine klare Antwort. Dies sei ein Fehler gewesen, meinen sie.

Artikel vom 25.05.2005