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SPD-Opposition in NRW
sucht neuen Anführer

Wahlsieger Jürgen Rüttgers dämpft Erwartungen

Von Claus Haffert
Düsseldorf (dpa). Die italienische Tageszeitung »Corriere della Sera« fand für das Ergebnis der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen nur ein überzogenes Bild. Von einem »Düsseldorfer Tsunami« seien Rot-Grün weggerissen und Kanzler Gerhard Schröder (SPD) in eine vorgezogene Bundestagswahl getrieben worden.

Doch von den in Europa weit aufmerksam registrierten Folgen des Wählervotums war gestern im Regierungsviertel wenig zu spüren. Helden und Verlierer des Wahlabends waren zunächst nach Berlin geflogen, um sich auf großer Bühne feiern zu lassen oder nach den richtigen Reaktionen auf das Wahldebakel zu suchen. Im Landtag hatten deshalb Handwerker und Techniker, die Bühnen und Studios des großen Wahlspektakels vom Vorabend abbauten, klar die Oberhand.
Wahlsieger Jürgen Rüttgers streute in der Hauptstadt kräftig Salz in die Wunden der SPD. »Der Vorsitzende der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen bin ich«, sagte er mit Blick auf die starken CDU-Gewinne bei Arbeitern und Arbeitslosen. Die SPD dürfte angesichts der überdurchschnittlichen Verluste bei ihren Stammwählern nur wenig trösten, dass sie laut Forschungsgruppe Wahlen bei den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern mit 61 Prozent die Nummer eins geblieben war.
Weitere Triumphposen mied Rüttgers allerdings. Man dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass »man alles könne, bloß weil man ein bestimmtes öffentliches Amt hat«, sagte er. Zugleich dämpfte er Erwartungen seiner Wähler. Es gebe kein Geld, mit denen man große Programme auflegen könne. »Es wird nur gehen über mehr arbeiten, über Ärmel aufkrempeln.«
Nach fast 40 Jahren auf den Regierungsbänken muss die SPD Opposition ganz neu lernen. Dazu braucht sie zunächst vor allem einen neuen Anführer. Der gewählte Ministerpräsident Peer Steinbrück will nicht Fraktionsvorsitzender werden. »Für mich schließe ich das aus«, hatte er gleich zu Beginn des Wahlkampf versichert. Dass sich Steinbrück davon noch abbringen lässt, gilt als unwahrscheinlich.
SPD-Landeschef Harald Schartau wäre in der SPD-Hierarchie der nächste Kandidat. Das Ansehen des Wirtschafts- und Arbeitsministers in der NRW-SPD hat aber stark gelitten. Viele in der Partei machen ihn für den erfolglosen Wahlkampf verantwortlich. Schartau will aber als Landeschef im Amt bleiben und hat die alleinige Verantwortung für das Wahldebakel abgelehnt. Es sei eine »kollektive Niederlage«.
Die Bezirksregierung Detmold erklärte gestern, die Entscheidung über die Organisation der Landes-verwaltung werde nicht in Detmold, sondern in Düsseldorf gefällt. Es sei der neuen Landesregierung vorbehalten, über die Organisation der Landesverwaltung und somit auch über die Existenz oder die Anzahl der Bezirksregierungen in NRW und deren Aufgabenbestand zu entscheiden.
Wie bereits in einer Teilauflage berichtet, ziehen auch die drei SPD-Politiker Helga Gießelmann (Bielefeld), Karl-Heinz Haseloh (Kreis Minden-Lübbecke) und Jürgen Unruhe (Kreis Höxter) über die Landesliste in den Landtag. Die bisherige CDU-Abgeordnete Angelika Gemkow (Bielefeld) hat es dagegen nicht geschafft.

Artikel vom 24.05.2005