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Das optische Neuland in Titan

Brillendesigner Markus Temming geht im Verkauf ungewöhnliche Wege

Von Michael Diekmann und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Der alteingesessene Handwerksbetrieb, der Metallbauer, der weltweit exportiert, das exklusive Fachgeschäft in der City: Der Mittelstand ist Rückgrat der Wirtschaft und Garant für die Zukunft. Das WESTFALEN-BLATT stellt in einer Serie erfolgreiche Mittelständler vor. Heute: Brillendesign Marte.

Das kleine Fachgeschäft am Gehrenberg ist alles andere als ein typisches Brillenstudio. Soll es auch gar nicht sein. Wer durch die gläserne Tür, auf deren Edelstahlgriff der Name »marte« eingraviert ist, betreten hat, kommt direkt in die Welt des Augenoptikermeisters und ehrgeizigen Designers Markus Temming. Der beschreitet mit dem Marte-Store, wobei Marte die Abkürzung des Namens Markus Temming bedeutet, gerade Neuland in Sachen Vermarktung der eigenen Produktlinien.
Vor dem Erwerb einer Brille bei Temming oder seiner Bielefelder Geschäftsführerin Stefanie Wallrabenstein steht weniger das Ermitteln der Sehstärke als vielmehr ein intensives Vorgespräch, um genau ergründen zu können, welchen Stil der Kunde bevorzugt, »Die Brille ist ein Stück des eigenen Ichs«, sagt Temming, der es in seinem ersten eigenen Geschäft ebenso mit puristischer Einfachheit und Funktionalität hält wie bei den Brillen. Seine klassische Designlinie aus Titan, 1998 entworfen und inzwischen wegen einzelner Funktionsdetails patentiert, bringt es beim Gestell gerade auf ein Gewicht von weniger als drei Gramm. Geschraubt wird an Temmings Brillen auch nicht. »Kundenbindung bedeutet bei uns nicht, regelmäßig Menschen zum Service ihrer Sehhilfe einzubestellen«, unterstreicht der junge Unternehmer, sondern sie mit Kommunikation und Veranstaltungen sowie der Marke an sich bis zum nächsten Brillenkauf zu begleiten.
Temming (34) hatte gleich nach der Schule eine Optikerausbildung absolviert, in Köln studiert und seine Meisterausbildung gemacht. Schnell wurde ihm klar, mit eigenen Kreationen das weite Feld der Fassungen zu bereichern. Allerdings: Gleich die erste Entwurfreihe, besagte aus feinem Titandraht, stieß auf eine solch große Resonanz, dass der Jungunternehmer den eben geschlossenen Mietvertrag für ein Geschäft in Münster gar nicht erst erfüllte, sondern sich um die Fertigung des Eigendesigns kümmerte. Das war Ende 1998.
Heute gibt es die Firma deSign Markus T. GmbH. Die produziert auf einem alten Bauernhof vor den Toren Bielefelds in Isselhorst mit insgesamt 30 Mitarbeitern drei Brillen-Kollektionen, die weltweit verkauft werden. Allein in Deutschland hat Temming 1200 Handelspartner, weltweit sind es 2500. In Märkten wie Australien oder Saudi Arabien gibt es eigene Vertreter. Einzigartig macht Temmings Brillen nicht nur, dass sie ausschließlich in Deutschland entworfen und produziert werden, sondern auch die Andersartigkeit.
Wegen genau der hat Temming schließlich lange das richtige Ladenlokal in der Altstadt gesucht und ist im ehemaligen Gläntzer-Haus fündig geworden, hat mit dem befreundeten Innenarchitekten Sebastian Büscher den Entwurf gemacht. Entstanden ist ein Raum mit schlichter Funktionalität, vielen Sitzmöglichkeiten, aber ohne klassische Bedientische. Neu und anders ist auch, dass man neben den normalen Geschäftszeiten von Montag bis Mittwoch die Gelegenheit hat, von 7.30 bis 21 Uhr nach Terminvereinbarung eine ausgiebige Beratung zu bekommen. Temming: »Viele unserer Brillenkunden sind beruflich arg eingespannt. Da passen wir uns im Hinblick auf die Zeiten möglichst weit an«.
Wenn abends in dem einzigartigen Laden noch Licht brennt, spielt nicht immer auch Musik oder legt ein Discjockey nach New Yorker Vorbild Scheiben auf: Manchmal ist Stefanie Wallrabenstein einfach nur dabei, von einem Kunden zu ergründen, welche Brillenwünsche in Titan oder Kunststoff er sich vorstellt.

Artikel vom 25.05.2005