24.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schulgesetz nur Makulatur

CDU will Fach Naturwissenschaften wieder vom Stundenplan entfernen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Das Schuljahr 2005/2006 droht chaotisch zu beginnen. Nach dem Machtwechsel in Nordrhein-Westfalen soll das rot-grüne Schulgesetz noch vor dem 1. August gekippt werden. Das kündigten CDU und FDP gestern in Düsseldorf an.

Als Punkte, »die sofort zurückgezogen werden«, nannte der schulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Bernhard Recker, die schulformübergreifende Aufsicht, den Wegfall von Zensuren in Klasse 3 und die Einführung des Faches Naturwissenschaften in der Sekundarstufe I. Biologie, Chemie und Physik müssten als Fächer beibehalten werden, betonte Recker gegenüber dieser Zeitung. Der künftige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte im Wahlkampf mehrfach betont, nach einem Sieg das Schulgesetz der Christdemokraten umgehend einführen zu wollen. Hauptziel sei die Beseitigung des Unterrichtsausfalls. Dazu sollen mehr Lehrer eingestellt werden.
Damit die Schulen planen können, fordert die Lehrergewerkschaft VBE (Verband Bildung und Erziehung) »kurzfristig klare Signale«. Landesvorsitzender Udo Beckmann aus Bad Wünnenberg: »CDU und FDP müssen schnell sagen, wie es weitergehen soll.« Das rot-grüne Gesetz sei »sehr schlecht vorbereitet« worden, noch mehr Verunsicherung könnten die Schulleiter und Lehrer, die im Juni mit der Stunden- und Personalplanung beginnen, nicht gebrauchen. An den 792 öffentlichen Schulen in Ostwestfalen-Lippe mit 330 000 Jungen und Mädchen hatten sich die Verantwortlichen auf gravierende Veränderungen zum 1. August eingestellt. So sollten die Schulkindergärten wegfallen und in den 427 Grundschulen jahrgangsübergreifend unterrichtet werden. Bereits jetzt wird an 18 Grundschulen sowohl in den Klassen 1 und 2 als auch in den Klassen 3 und 4 so verfahren. Zudem sollten nach dem Willen von SPD und Grünen eine Aufsicht bei den Kreisen für alle Schulformen zuständig sein, das Fach Naturwissenschaften eingeführt werden und Hauptschulen die Chance haben, einen Realschulzweig einzurichten (Verbundschule). Nach dem 22. Mai ist alles Makulatur.
»So wird das Gesetz nicht kommen, bis zum Beginn des neuen Schuljahres wird es gekippt«, erklärte die Schulexpertin der FDP-Landtagsfraktion, Ingrid Pieper-von Heiden, aus dem lippischen Oerlinghausen gestern dieser Zeitung. Weil CDU und FDP mehr Leistung einfordern, halten sie an Zensuren in Klasse 3 fest. Am 8. Juni konstituiert sich der Landtag, am 22. Juni wird der neue Ministerpräsident gewählt.
Reicht die Zeit, um bis zum 1. August das rot-grüne Schulgesetz außer Kraft und neue Ausführungsbestimmungen festzusetzen? Was außer den genannten Punkten noch geändert werden soll, verrieten CDU und FDP gestern nicht: Erst müsse in der Koalition verhandelt werden.
Der Nordrhein-westfälische Lehrerverband befürchtet, dass das Durcheinander an den Schulen zunimmt. Der »ungebremste Reformeifer der letzten Jahre« habe »jedes Maß für Möglichkeiten und Notwendigkeiten im pädagogischen Alltag der Schulen vermissen lassen«, beklagte Vorsitzender Peter Silbernagel.

Artikel vom 24.05.2005