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Claas schlägt Brücke nach Krasnodar

Russische Landwirtschaft erwartet von deutscher Agrartechnik hohe Ertragssteigerungen

Von Bernhard Hertlein
Krasnodar/Harsewinkel (WB). 35 bis 40 Hektar misst der durchschnittliche landwirtschaftliche Hof in Westdeutschland. Die frühere Kolchose Poweda (»Sieg«), heute Aktiengesellschaft in Bauernhand, bewirtschaftet 15 000 Hektar Nutzfläche. Auf den flachen, riesigen Parzellen kommen moderne Mähdrescher und andere Landmaschinen aus dem Westen so richtig in Fahrt.
Helmut Claas - hier mit Tochter Cathrina -Êweihte selbst das neue Werk in Russland ein.
Anatoli Matiewitsch Garbus ist Chef einer Agrar-AG.

Anatoli Matiewitsch Garbus ist zu Recht stolz auf den von ihm geführten Betrieb in Nowotschereliewskaja. Etwa eineinhalb Autostunden östlich vom Schwarzen Meer gelegen ist Poweda von der Natur begünstigt. Die Schwarzerde, die hier in Schichten von vier bis sechs Metern zu finden ist, erbringt schon jetzt doppelt so große Ernten wie durchschnittlich die Böden in anderen Regionen Russlands. Poweda baut Getreide an und Reis, Zuckerrüben sowie Soja, Luzerne und anderes Futter für die eigenen 9000 Rinder und 16 000 Schweine. Dazu kommen Hühner sowie Obst, Gemüse und Sonnenblumen. Mühle, Bäckerei, Molkerei, Ölpresse und Fleischverarbeitung gehören wie selbstverständlich zu dem Betrieb, der, so stellt Garbus klar, ohne Kredite und mit schwarzen Zahlen wirtschaftet. Schon drei Feldhäcksler und elf Mähdrescher hat er in Deutschland gekauft, »selbstverständlich« beim Marktführer Claas (Harsewinkel). Dazu kommen Sämaschinen und Rübenernter von Kleine (Salzkotten) sowie weitere moderne Agrartechnik aus Skandinavien und Frankreich. »Die Investitionen zahlen sich schnell in größeren Ernten und als Folge der Rationalisierung in steigenden Gewinnen aus«, sagt der Chef von 1350 Mitarbeitern.
Nicht nur Garbus, auch Claas ist der festen Meinung, die russische Landwirtschaft könnte »von Poweda siegen lernen«. Stattdessen sackten die Investitionen landesweit in den vergangenen Jahren in den Keller. Wurden früher in guten Jahren schon mal 100 000 Mähdrescher in Russland neu angeschafft, so waren es 2004 nur noch 2000. Nun endlich haben Politiker wie der Gouverneur der Region Krasnodar, Alexander Nikolajewitsch Tkatschew, und Russlands Landwirtschaftsminister Alexej Gordeew erkannt, dass zu einer sinnvollen, zukunftsgewandten Anlage der Milliarden Rubel aus dem Erdöl- und Erdgas-Geschäft auch Investitionen in die Landwirtschaft gehören. Ihr Ziel ist es, die Erträge auch in der Schwarzerderegion vielleicht zu verdoppeln, auf jeden Fall aber deutlich zu erhöhen. Dazu brauche es zuverlässige Maschinen, die nicht jeden Augenblick stehen bleiben. Die Kritik, die beide Politiker auf einer Pressekonferenz aus Anlass der Claas-Werkseröffnung in Krasnodar an Mähdreschern von Rostselmasch und anderen russischen Herstellern äußerten, war an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Der Druck durch den noch ungewohnten internationalen Wettbewerb werde schon dafür sorgen, dass auch die heimischen Landmaschinen besser werden.
Damit rechnet man auch bei Claas. Die angestrebten 1000 Mähdrescher, die die Harsewinkler nach Angaben von Vertriebschef Lothar Kriszun künftig jährlich in Russland absetzen möchten, müssen deshalb preiswerter werden. Die Tatsache, dass man jetzt in Russland produziert, führt bereits dazu, dass die Kunden die gleichen subventionierten Darlehen erhalten wie bei russischen Herstellern. Das hat der Gouverneur zugesichert. Der Einbau von immer mehr Teilen aus russischer Produktion bis hin zu einem Anteil von 50 Prozent soll das Übrige dazu beitragen, die Kosten zu verringern.

Artikel vom 24.05.2005