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Fassungslosigkeit und Schweigen bei der SPD

NRW-Genossen schockiert - CDU-Anhänger jubeln

Düsseldorf (dpa). Die Sektflaschen waren schon eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale entkorkt - in der Düsseldorfer CDU-Zentrale zweifelte niemand mehr am Sieg der Christdemokraten. Schon um 17.45 Uhr skandierten die mehreren hundert Parteianhänger »Jürgen, Jürgen«.
Bittere Niederlage: Wahlverlierer Peer Steinbrück.

Der NRW-Generalsekretär der CDU, Hans Joachim Reck, ruft einen »historischen Tag« aus.
Mit Bekanntgabe der Prognose um 18 Uhr, die der CDU 45 Prozent prophezeit, bricht dann Jubel aus. Wunderkerzen werden entzündet, die Parteianhänger reißen die Arme zur »Laola«-Welle hoch und rufen: »Jetzt geht's los.« Doch Wahlsieger Jürgen Rüttgers wartet noch ab und lässt sich nicht blicken.
»Nach 39 Jahren kommt es auf eine Stunde nicht an«, witzelt der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Hintze. Er sieht unterdessen auch Parteichefin Angela Merkel gestärkt: »Das ist eine Bestätigung ihres politischen Kurses, der heute in ihrem größten Erfolg gipfelt.«
Karl-Josef Laumann, der in der CDU-geführten Regierung Arbeits- und Sozialminister werden soll, kündigt schon einmal »schnelle und klare Entscheidungen« an. »In diesem Sommer geht die Post ab in NRW«, sagt Laumann.
Und auch für CDU-Urgestein Hartmut Schauerte sind die Koalitionsverhandlungen mit der FDP praktisch nur noch Formsache: »Mit Jürgen Möllemann wäre das sicher etwas anderes.«
Ganz anders die Stimmung bei der SPD. Die Niederlage traf die Genossen mit voller Wucht. Enttäuschung und Schock herrschten gestern Abend bei der SPD-Wahlparty im Düsseldorfer Apollo-Theater bei Bekanntgabe der Hochrechnungen. »Wer realistisch war, konnte nur schwach auf einen Sieg hoffen, aber ein derart schlechtes Ergebnis ist schon sehr bitter«, sagte Detlev Schewe (56), als die Hochrechnungen seine Partei bei nur 37,6 Prozent sah. Lange Gesichter und Kopfschütteln überall, Schweigen im Saal - einige Plätze waren schon leer, als SPD-Landesparteichef Harald Schartau die Bühne betrat.
Es gehe nun darum, dass sich die Sozialdemokraten nun »mit großer Disziplin nicht unterkriegen« lassen, rief Schartau den enttäuschten SPD-Anhängern zu. »Wir wollen uns nicht in die Weltmeisterschaft des Wundenleckens begeben.«
Wirklich trösten konnte er mit seinen Worten aber doch wohl nur wenige. »Dass der Abstand zur CDU so deutlich ausgefallen ist, ist doch frustrierend, wir hatten mit deutlich mehr gerechnet«, sagte Ute Brüggenhorst (32). Es sei »sehr gewöhnungsbedürftig«, dass die 39-jährige Vorherrschaft der SPD in NRW nun verloren sei und die Sozialdemokraten sich nun an die Oppositionsrolle gewöhnen müssten.
»Ich glaube, wenn Steinbrück nun gehen sollte, dann würde die SPD wohl in den nächsten fünf Jahren nicht mehr hoch kommen«, befürchtete SPD-Mitglied Deborah Schiffer aus Wuppertal.
Während CDU-Bundesparteichefin Angela Merkel auf der Leinwand bereits strahlend den Sieg in Nordrhein-Westfalen kommentiert, hofft Schiffer noch immer auf ein paar Prozentpunkte mehr für die SPD bis zum endgültigen Endergebnis.

Artikel vom 23.05.2005