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Heile, heile Gänschen - alles wird gut

»Arabella« am Theater Bielefeld

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Ende gut, alles gut? Eigentlich hatte Gregor Horres doch versprochen, den Heile-Welt-Ausgang von Richard Strauss' Oper »Arabella« in seiner aktuellen Inszenierung am Theater Bielefeld mit einem Fragezeichen zu versehen. Sollte das Happy-End à la Hollywood also ironisch gemeint gewesen sein, ginge die Rechnung so gerade noch auf.

Indes, so ganz deutlich wird dies nicht. Überhaupt wirkt die Inszenierung - dort, wo sie nicht vollends in Schneeflocken-Idylle verkitscht -Êerstaunlich harmlos und brav. Doch behaupte keiner, hier werde reine Faschingskomödie gegeben. Immerhin will der dem Glücksspiel verfallene Graf Waldner seine älteste Tochter Arabella an den Mann bringen, um sich finanziell zu sanieren. Die jüngste Tochter Zdenka hat derweil auf ein eigenes Leben zu verzichten und sich als Mann auszugeben, weil nur eine Tochter standesgemäß ausgestattet werden kann. Aber von Neid und Rebellion keine Spur - die Schwestern lieben sich innig. Heile, heile Gänschen - auf eine kritische Hinterfragung wird dieses Libretto vom Inszenierungsteam offenbar erst gar nicht abgeklopft.
Stolpern kann man unter anderem über die Rolle, die die Dramaturgie Arabella zugedacht hat. Von einem modernen Frauentyp war im Vorfeld die Rede, von einer, die weiß, was sie will und die eine deutliche Vorstellung vom Lebensglück hat: »Der Richtige, wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt, der wird auf einmal dastehn.« -ÊUps.
Wie auch immer: Im Lot ist schon lange nichts mehr. Die guten alten Zeiten sind im Wandel begriffen, egal ob nun das Goldene Zeitalter Wiens gemeint ist oder -Êwie in Bielefeld -Êdie Handlung in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verlegt wird. Altes kippt, ist im Umbruch und Bühnenbildner Rudolf Rischer hat sich (leider; man kann diesen abgeschrägten Spielebenen bald nichts Originelles mehr abgewinnen) hinreißen lassen, dies in einem seitlich leicht gekippten blauen Salon anklingen zu lassen, der in zwei Umbaupausen erst zum Ballsaal, dann zur kühlen Hotelhalle umfunktioniert wird.
Weiden darf man sich hingegen an der Staffage. Kostümbildnerin Friederike Hölscher lässt die wilden 20er Jahre üppig und farbenprächtig wiedererstehen -ÊHautevolée und Démimonde bilden auf dem Fiakerball zusammen mit leicht Verruchtem ein buntes Bild der Gesellschaft.
Bleibt die Inszenierung eher ideenlos, sollte man sich diese »Arabella« der Musik wegen nicht entgehen lassen. Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Peter Kuhn reichert das Philharmonische Orchester die Partitur mit Esprit und Gefühlstiefe an. Man schwelgt in Melodien, man kennt den Rausch ebenso wie die innige Versenkung, vornehmlich aber fließen die Emotionen in nicht nachlassendem Atem und Parlando.
Höhepunkte, die zu Herzen gehen, bilden die Duette wie jene zwischen Arabella (Melanie Kreuter) und Zdenka (Victoria Granlund) oder Arabella und Mandryka (Mikhail Dyakov). Kreuter mit warm-blühendem Sopran gestaltet ihren Part sehr selbstbewusst, derweil Granlund mit schlackenlos reinem Gesang neben der rein Liebenden auch subtil die tragische Komponente ihrer Hosenrolle herausarbeitet.
Dyakov verfügt über zarten Schmelz ebenso wie über das für Mandryka so charakteristische Elementar-Wuchtige. Wären da nicht seine noch mangelnden Deutschkenntnisse -Êer könnte, auch bezogen auf seine starke Bühnenpräsenz, als Idealbesetzung gelten. So aber litt man ob der gequält wirkenden Staccato-Intonation streckenweise mit.
Luca Martin, als Matteo ganz auf Sturm und Drang eingestellt, setzte auch wunderbar lyrische Akzente. Hans Griepentrog mit gewohnt wohlgerundetem Bass fällt als Waldner laut Reigie die Komiker-Rolle zu. Stimmstark neben ihm brilliert Kaja Plessing als Adelaide. Ein weiteres Puls: Der von Hagen Enke einstudierte Chor übernimmt zunehmend szenische Aufgaben und bereichert merklich.

Artikel vom 23.05.2005